Kurzfassung

Die bloße Einrichtung von Microsoft Copilot ist nur eine Verlegenheitslösung. Wenn ein Unternehmen ergebnisorientierter vorgehen will, richtet es sich einen eigenen mit firmenspezifischen Daten zusätzlich trainierten Chatbot ein und erprobt diesen in einer Sequenz von Pilotversuchen.

Der Beitrag enthält Beispiele für Chatbot-Anwendungen, Vorschläge für Pilotprojekte und Management-Empfehlungen für eine erfolgversprechende Umsetzung.


KI-Projekte

Es gibt keine Softwarefirma, die nicht behauptet, ihre Produkte seien voll mit Künstlicher Intelligenz, Paradebeispiel SAP. Mindestens zwei von drei Veröffentlichungen aus der Computerwelt drehen sich um KI. Viele Firmen - und nicht nur die Kleinen oder die Mittelständler - bemühen sich, den Anschluss nicht zu verpassen und machen erst einmal ein Pilotprojekt. Da bietet sich doch Microsofts Copilot an. Dann macht man das, was alle machen und glaubt sich auf der sicheren Seite.

Die Werbetrommel der Anbieter klingt wie eine lautstarke Kakophonie. Buchstäblich das Blaue vom Himmel wird versprochen. Das Top-Management bekommt Dollarzeichen in die Augen, bei den versprochenen Einsparungen oder bei dem in Aussicht gestellten Quantensprung der Produktivität. Das begeistert nicht nur, das macht auch Angst, jedenfalls vielen Menschen, die sich fragen, was aus ihrem Job wird. Auf der anderen Seite sind die vielen Technik-Enthusiasten, die alles ausprobieren wollen, denen nichts schnell genug geht.

Einstieg mit Microsoft Copilot

Für viele Firmen ist MS Copilot der einfachste Weg. Es ist Software as a Service (SaaS), direkt aus der Cloud, es gibt genug best practice-Vorschläge, um das System schnell einzurichten. Doch was von KI wirklich drin ist, fällt auch hier eher bescheiden aus: OpenAIs ChatGPT, die Suchfunktion Bing, das Sprache-zu-Text-Tool (Transskription), die Zusammenfassungsfunktion in teams und natürlich die versprochenen KI-Agents. Die sind aber nur versprochen (Stand Sommer 2025).

Aber was hat man wirklich erreicht? Man hat ein System erfolgreich eingerichtet. Die am Projekt beteiligten Power User können mit der Software umgehen. Teams-Sessions funktionieren besser. Und die inhaltliche Seite der Arbeit: Was geht mehr als vorher mit Excel? Ist die KI-angereicherte Textverarbeitung wirklich ein Gewinn oder doch nur ein Zeitfresser? Immerhin: Die Benutzerinnen und Benutzer haben jetzt einen Chatbot zu Ihrer Verfügung. Mit Blick auf den praktischen Nutzen lässt sich für viele Unternehmen allerdings sagen: Begeisterung klingt anders.

 

Chatbots

ChatGPT ist dabei, die Welt zu verändern“, jubelt die Fachpresse (Computerwelt vom 20.6.2025). Wenn man dann weiterliest, was alles an Tagesaufgaben die Technik in Windeseile erledigt, na ja, sehen Sie selbst:

Eine Beispielsammlung

Die Beispiele sind mit einem roten Dreieck versehen. Durch Klick auf ein solches Dreieck können Sie den Text aufklappen. Das Dreieck ändert dann seine Form (). Wenn Sie jetzt darauf klicken, werden die Texte wieder zugeklappt.

Wann und was war die letzte Veröffentlichung von Sam Altman?
 

Kommentar: Eine reine Sachfrage, Suche nach der letzten Veröffentlichung des Autors. Der Chatbot (ChatGPT 4.o) hat zuerst im Internet nachgesehen, es aber leider noch nicht geschafft, die Erläuterung zu seiner ersten Fundstelle auf deutsch zu bringen.


Ich habe diverse IT-Projekte erfolgreich durchgeführt und möchte mich um die Stelle meines Chefs bewerben, wenn der nächstes Jahr in Rente geht. Gib mir ein paar Tipps, wie ich vorgehen könnte.
 



 ...

Kommentar: Sicher ein brauchbarer Vorschlag für eine Strategie, bis auf den Plan B. Da kennt sich der Chatbot nicht mit der Wirklichkeit aus. Kann man ihm aber auch nicht verübeln, weil ja alle HR-Abteilungen gemäß der üblichen Internet-Vorgehensweise nur Positives über sich berichten.   😏


Kannst Du mir helfen, eine Mail an einen Geschäftspartner zu schreiben?
 

Kommentar: Die Frage war anspruchslos, die Antwort ist passend. Immerhin eine Anleitung zum strukturierten Denken.


Erstelle mir bitte eine Strategie, wie ich einen Chatbot in ein Projekt einplanen kann, um einfache zeitfressende Aufgaben zu erledigen
 


... und so weiter mit ähnlich detaillierten Vorschlägen zu den Themen
Chatbot-Typ und Technologieauswahl
Einbettung in die Projektstruktur
Testphase und Feedbackschleifen

Kommentar: Ein Konzept, das man durch gezielte Nachfragen weiter detaillieren kann. Man darf aber nicht mit der Erwartung herangehen, jetzt etwas wirklich Neues zu erfahren, denn das System kann nur auf der Grundlage von erkannten Mustern aus seinen Trainingsdaten oder durch Zusammenfassungen von Fundstellen aus dem Internet antworten.


...

Ich möchte mich in IT-Angelgenheiten und KI kompetent beraten lassen und habe die Firma tse gefunden. Ist diese Firma geeignet, mich zu beraten?
 


w  .......  

w  .......  

Kommentar: Das sieht für tse.de ganz ok aus. Mit der Aussage, die tse sei für praktische Unterstützung und Softwareentwicklung nicht geeignet, bin ich natürlich nicht zufrieden. Wir haben sehr viel Software selber entwickelt, u.a. im Leistungsbereich Künstlicher Intelligenz, als davon öffentlich noch keine Rede war. Wir haben dies aber nie unter dem Label tse beworben.


Die Beispiele sind sicher nicht die besten. Aber man sieht, dass sie bei vielen Aufgaben hilfreich sein können. Sie sind aber auch eine überzeugende Bestätigung des Sprichworts

wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück.

oder besser gesagt „garbage in - garbage out“. Kein Chatbot kann erkennen, ob jemand ihm hochintelligente oder saublöde Fragen stellt. Er antwortet immer nur nach bester Wahrscheinlichkeit. Die Wahrscheinlichkeiten liefert ihm seine gigantische Datenmasse, mit der er trainiert wurde. Deren Spanne umfasst ebenfalls die komplette Spannbreite des soeben beschriebenen Spektrums (mehr über die Qualität der Trainingsdaten).

Ein Unternehmen kann seine Mitarbeitenden frei herumexperimentieren lassen. Wenn Chefs keine Ahnung haben, sicher eine gute Verlegenheits-Idee. Aber nur solange, wie niemand die Produktivität solcher Arbeitsweise unter die Lupe nimmt.


Ein etwas planvolleres Vorgehen umfasst mehrere Stufen: Bereitstellung eines - eventuell unternehmensspezifischen - Chatbots und Erprobung in einer Sequenz von Pilotversuchen vor einer endgültigen Freigabe:

Auswahl eines Chatbots

Wie bereits dargestellt: Die einfachste Methode ist die Wahl von Microsoft Copilot, SAP Joule oder wenn man diese Lieferantenabhängigkeit nicht will die Lizenzierung eines anderen Chatbots. Dazu gibt es zahlreiche Alternativen.

Viele Unternehmen haben schon ihre firmenspezifischen Chatbots. Sie entscheiden sich für die Auswahl eines geeigneten Chatbots und trainieren diesen mit zusätzlichen unternehmensspezifischen Daten.

Bei der Wahl des Chatbots gibt es inzwischen zahlreiche Alternativen von Softwareprodukten, die nicht in einer Cloud des - meist US-amerikanischen - Herstellers gespeichert sind. Darunter finden sich Angebote, die sich komplett on premises installieren lassen, also im eigenen Rechenzentrum oder in der eigenen private Cloud. Das befreit von den zurzeit (Sommer 2025) bestehenden Ungewissheiten, inwieweit US-amerikanische Zugriffe auf die Daten nach den dort bestehenden gesetzlichen Vorschriften (oder Präsidentenerlassen) möglich sind, ebenso von der Befürchtung, dass Daten des eigenen Gebrauchs als Trainingsdaten für die Basissysteme benutzt werden könnten.
Hieraus ergeben sich einige Fragen. zeigen

  1. Besteht die Notwendigkeit einer sicheren Speicherung von Anfragen und Ergebnissen (Schutz vor fremdem Zugriff)?
  2. Welche Techniken gibt es, die Daten des Sprachmodells um unternehmenseigene Daten zu erweitern und zu trainieren?
  3. Welche Produkte (Large Language Models, Chatbots) werden zurzeit (2025) angeboten, die sich außerhalb von Clouds der Superscaler installieren lassen?
  4. Ist die Realisierung mit hundertprozentiger Datenhoheit besonders wichtig (Installation on premises oder in unternehmenseigener Cloud)? Welche dafür geeigneten Produkte gibt es heute (July 2025) auf dem Markt?

Wenn das Unternehmen wirklich alleiniger Herr seiner Daten ist, erleichtert das den Umgang erheblich und befördert auch die Experimentierfreudigkeit bezüglich der Erbrobung besserer Instrumente.

Pilotversuche

Besser als das ganze Unternehmen als Pilotversuch zu betrachten, ist der Beginn mit einem ausgewählten Bereich und dann erfolgsabhängig die Ausweitung auf andere Bereiche.

  • Auswahl eines Arbeitsbereichs: Das Management überlegt sich, in welchen Bereichen vom Einsatz eines Chatbots ein unterstützender Beitrag für die Arbeit der dort Beschäftigten erwartet werden kann. Der beabsichtigte Nutzen, die vermutlichen Kosten und das erforderliche technische Equipment sollten detailliert beschrieben werden.
  • Auswahl eines Teams für den Test: Bei der Auswahl der Teilnehmer ist unbedingt darauf zu achten, dass Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen zusammen arbeiten und nicht nur Technikbegeisterte unter sich sind. Die Diversitätsspanne sollte bewusst groß sein: ältere und jüngere Menschen, Technikaffine und Skeptiker bunt gemischt.
  • Arbeitsweise: Gearbeitet wird grundsätzlich im Team, Vertiefungen besprochener Aufgaben und eigene Initiativen natürlich jeder für sich, das Team aber immer mit der Funktion des Erfahrungsaustauschs. Gute Erfahrungen gibt es, wenn mit einem Brainstorming begonnen wird, in dem sehr konkret geklärt wird, welche Erwartungen der Chatbot-Einsatz erfüllen soll. Eine gewisse Ritualisierung ist hilfreich, z.B. durch festgesetzte regelmäßige Präsenztermine.
  • Ergebnispräsentation: Jedes Team sollte sich einen Termin setzen, zu dem seine Erfahrungen und Empfehlungen präsentiert werden. Es ist sehr förderlich, wenn das Team von vorneherein weiß, dass seine Arbeit einem größeren Kreis der Betriebsöffentlichkeit präsentiert werden wird (z.B. eine Abteilungsversammlung oder eine Variante der so beliebten Town Hall Meetings oder was auch immer). Nebeneffekt: Die ganze Belegschaft bekommt mit, dass man sich ernsthaft mit dem Thema Künstliche Intelligenz beschäftigt.
    Für die Veröffentlichung der Ergebnisse bietet sich eine Präsentation im Intranet des Unternehmens an.
  • Unterstützung: Es wäre wunderbar, wenn die IT des Unternehmens sich als Serviceabteilung für das Unternehmen und seine Mitarbeitenden verstehen könnte und z.B. eine bei Bedarf ansprechbare Task Force zur Verfügnung stellt, z.B. für die Unterstützung einer ansprechend gestalteten Ergebnispräsentation. Die wirkungsvollste Form des Lernens ist bekanntlich das Lernen voneinander. Man macht dann gemeinsame Erfahrungen, wie man Beachtung und Aufmerksamkeit erzielen kann. Die Techniker können den Praktikern aus dem betroffenen Arbeitsbereich die verfügbaren Möglichkeiten darstellen. Die Praktiker können den Technikern vermitteln, welche Vorstellungen sie haben, um ihre Ergebnisse eindrucksvoller zu kommunizieren. So wird daraus ein typisches Beispiel für eine win-win-Situation.

Das Feedback aus dem ersten Pilotversuch ist der Input für das nächste Projekt. Dieses Verfahren ist wesentlich zielführender, als alle Neugierigen einfach so herumprobeln zu lassen.

Eigene KI-Projekte

Es ist für jedes Unternehmen wichtig herauszufinden, in welchen Bereichen und für welche Aufgaben Künstliche Intelligenz einen Beitrag leisten kann. Hier eine Vorschlagsliste:

  • Unternehmensstrategie: Auf oberer/oberster Führungsebene bildet sich das Unternehmen eine Meinung, was es mit KI anfangen will und sorgt für die Kommunikation dieser Strategie. Dabei kommt entscheidend darauf an, die Leistungsmöglichkeiten der Technik realisisch einzuschätzen und um ihre Grenzen zu wissen. Wenn man für diesen Prozess einen geordneten Rahmen wählen will, bietet sich das Balanced Scorecard-Verfahren an, mit klarem Fokus auf die Nutzung der Chancen.
  • Betriebsöffentliche Veranstaltungen zu Möglichkeiten des KI-Einsatzes in ausgewählten Unternehmensbereichen. Bitte nicht als Schulungen womöglich mit elektronisch registrierter Teilnahme, sondern als freiwillig nutzbares Angebot während der Arbeitszeit. Die Führungskräfte sind darauf eingeschworen, ihre Leute zur Teilnahme an diesen Veranstaltungen zu animieren.
  • Pilotprojekte für ausgewählte Bereiche mit vorangehehendem Brainstorming über den erwarteten betriebswirtschaftlichen Nutzen, seien es neue Produkte oder Dienstleistungen oder verbessere Arbeitsprozesse. Start mit kleinen überschaubaren Projekten.
  • Technikentwicklung: Es ist erforderlich, die Entwicklung der KI-Technik genau zu beobachten, allein schon wegen des hohem Änderungstempos und der Kostenentwicklung. Vorsicht ist z.B. bei den zahlreichen KI-Agenten-Angeboten angebracht. Die unternehmensinterne Kommunikation des Technikstandes und die Bewertung der Relevanz für das Unternehmen sollte eine Dienstleistung der IT sein, bei der besonderer Wert auf eine allgemein gute Verständlichkeit gelegt wird. Jeder sollte wissen können, was technisch geht und was das Unternehmen will.

Fazit

Begleitend zu allen Aktivitäten ist der Aufbau interner KI-Kompetenz, die Förderung einer ethisch verantwortlichen Anwendung sowie der Mut, konkrete Pilotprojekte anzustoßen. Es kommt darauf an, den Wandel aktiv zu gestalten – mit klaren Leitlinien, qualifizierten Teams und einem offenen Dialog über Nutzen und Grenzen der Künstlichen Intelligenz.

Karl Schmitz • Juli 2025