Microsoft Copilot

CopilotWer den KI-Hype ausnutzen und den Markt der Bürosoftware besetzen will, muss etwas anbieten, was die anwendenden Firmen auch als Beitrag zur Wertschöpfung oder zur Produktivität bewerten können. Schauen wir uns das Microsoft-Angebot genauer an.

Das Angebot

Nun zur Frage: Was kann Microsoft Copilot über die bisherigen Office-Leistungen hinaus? Mitte Januar 2024 hat Microsoft mit Copilot Pro ein neues Angebot im Bereich Generative Künstliche Intelligenz veröffentlicht, das die Technologie hinter ChatGPT in seine Office-Anwendungen integriert. Für Unternehmen gibt es die nochmals erweiterte Version Copilot für Microsoft 365. Ein Abo soll Anwender dabei mit einer Reihe von Assistenzfunktionen unterstützen:

  • erste Entwürfe für Word-Dokumente erstellen,
  • Excel-Tabellen aufbereiten und mit schneller Visualisierung unterstützen,
  • PowerPoint-Präsentationen aufbessern, z.B. durch automatisches Hinzufügen von Elementen aus anderen (mit Microsoft-Software erstellten) Dokumenten,
  • E-Mails erstellen und in Outlook integrieren, Adressen, Termindaten per Stichwort einfügen, mit den Textgenerierungsfunktionen des integrierten Chat-GPT generell „E-Mails in Schwung bringen", so die Werbung,
  • Teams-Besprechungen in Text transskribieren und zusammenfassen,
  • Notizen in OneNote anlegen,
  • ganz allgemein den Chtbot ChatGPT nutzen, insbesondere Fragen zu allen geöffneten mit Microsoft-Produkten erstellten Dateien beantworten
  • und mit den integrierten KI-Bildgeneratoren (Microsoft Designer, Dall-E) arbeiten.

Microsofts Werbung sieht in Copilot ein Assistenzprogrammm, das bei unterschiedlichen Büroarbeiten helfen soll: z.B. eigene Dateien zusammenfassen, Schreiben eines Strategiepapiers, Buchen einer Geschäftsreise oder Formulieren von freundlichen E-Mails, wenn man gerade zornig ist. Das klingt gut, aber der Teufel liegt bekanntlich im Detail: Wie gut und brauchbar ist diese Unterstützung?

Die Kosten

Drei Varianten stehen zur Wahl (Stand Februar 2024, sorry, das Datum muss man dazuschreiben, weil die Halbwertszeit socher Informationen zu kurz ist):

  • Copilot: kostenlose Standardversion (Stand Februar 2024), in Windows 11 integriert, aber nicht direkt in die Office-Programme,
  • CopilotPro: Abo für 22 €/User und Monat (Stand Februar 2024) mit Zugriff auf die etwas „besseren“ Chatbots GPT-4 und GPT -4 Turbo anstelle der kostenlosen Billigversion (GPT-3.5) .Will man diese in den Office-Programmen nutzen, ist ein weiteres Abo erforderlich, Family-Version für zwei bis sechs User für 99 €/Jahr oder Single-Version für 69 €/Jahr (Stand Februar 2024).
  • Copilot für Microsoft 365 für Unternehmen, etwas teurer, aber leider zurzeit (Stand Februar 2024) keine belastbare Preisinformation, plattformübergreifend, also auch auf SmartPhones. Die KI-Funktionen sind in andere Anwendungen nutzbar, sofern diese auf Microsoft Graph zugreifen können, also beschränkt auf die Microsoft-Welt.

Die Technik

Copilot für Microsoft 365 benutzt das Large Language Model von ChatGPT und verbindet es mit den Daten aus Microsoft Graph, dem immer mitlaufenden Hintergrundprogramm, das so ungefähr alles speichert, was Benutzerinnen und Benutzer mit Microsoft-Progammen tun.

Welche Daten werden bei Nutzung der Microsoft365-Programme in Microsoft Graph übertragen?

Grundsätzlich können über Microsoft Graph verschiedene Arten von Daten übertragen werden, darunter:

  1. Benutzerdaten: Informationen über Benutzerkonten, Profile, E-Mails, Kalender, Aufgaben und Kontakte.
  2. Gruppendaten: Informationen zu Gruppen, Gruppenmitgliedschaften und Gruppenressourcen.
  3. Dateidaten: Zugriff auf Dateien und Ordner in OneDrive for Business oder SharePoint, sowie Metadaten zu diesen Ressourcen.
  4. E-Mail-Daten: E-Mail-Nachrichten, Anhänge, Ordnerstrukturen und E-Mail-Metadaten.
  5. Kalenderdaten: Zugriff auf Kalenderereignisse, Termine und Kalendermetadaten.
  6. Aufgabendaten: Informationen zu Aufgaben, ToDo-Listen und Aufgabenmetadaten.
  7. Notizdaten: Zugriff auf OneNote-Notizen und Notizbücher.
  8. Unternehmensdaten: Informationen zu Unternehmensressourcen, wie z.B. Organigramme, Standorte und Abteilungen.

Quelle ChatGPT 2.3.2024

Hier ein Überblick über die wichtigsten an das Graph-System übertragenen Daten:

Dadurch werden die Informationen aus den mit Microsoft-Programmen erzeugten Dateien für Nachfragen verfügbar. Die Zugriffe richten sich nach den individuellen Zugriffsrechten der Benutzerinnen und Benutzer - Stand März 2024.

Die Konkurrenz

Microsofts Konkurrenz hat zwar den Start verschlafen, gibt sich aber Mühe, das verlorene Terrain aufzuholen. Google ist dabei, seine Chatbot-Leistungen ebenfalls in seine Office-Tools einzubauen. Salesforce will seinem Messenger-Dienst Slack ein Large Language-Modell unterlegen und soll sich dann Slack-GPT nennen. Auch SAP ist mit von der Partie, allerdings verstreuen sich die Funktionen hier quer durch das System (eigene Plattform SAP Conversational AI und Business Technology Platform, beide nur für Entwickler, und für Anwender in einigen S/4HANA-Funktionen Chatbots als Teil der Benutzeroberfläche). Sämtliche Collaboration-Tools-Anbieter (Cisco, Zoom usw.) sind dabei, ihre Anwendunegn ebenfalls aufzurüsten.

Microsofts Marktstellung

Microsoft ist hier ein Kunststück gelungen, zunächst durch das schnelle Vorpreschen mit ChatGPT Ende 2022 und jetzt durch systematischen Einbau in seine gesamte Software-Landschaft.

In Microsofts Marketing sind Produktivitätssteigerung und - daraus abgeleitet - Kosteneinsparung die zentralen Begriffe. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die vielversprechenden Tools nicht nur in einem bescheidenen Werkzeug, sondern flächendeckend anzubieten. Das ist Microsoft mit großem Vorsprung vor der Konkurrenz gelungen.

Schaut man sich das Copilot-Leistungsspektrum an, so fält auf, dass man es nur in dem Maße nutzen kann, wie man auch die anderen Softwareprodukte von Microsoft nutzt. Für Microsoft bedeutet das ein großer Fortschritt in Sachen Kundenbindung, für die Kunden allerdings wachsende Abhängigkeit von Microsoft

Ein ganz cleverer weiterer Schachzug: Microsoft ist dabei, seine KI-Tools per Pugin auf Drttanbieter-Apps auszudehnen. Dahinter steckt die Hoffnung, dann auch auf Daten anderer Softwareanbieter (z.B. ServiceNow) zugreifen zu können. Die ersten solcher Plugins sind bereits für ausgewählte Kunden verfügbar, „Tausende“ weitere sollen laut Microsoft folgen. Zur Erinnerung: Wer die Daten hat, der hat auch die Macht.

Die Erwartungen

Das Potenzial für Produktivitätssteigerungen sei signifikant, so jedenfalls die wohlwollende Meinung vieler Technik-Agenturen, mit vorsichtigen Einschränkunen:

„Ich erwarte allerdings, dass diese Entwicklung in Wellen ablaufen wird. Kurzfristig sind durch die Automatisierung repetitiver Tasks wahrscheinlich nur kleine Optimierungen im Arbeitsalltag feststellbar“
Raúl Castañón-Martinez, Senior Research Analyst bei 451 Research, der Zukunftsvorhersage-Agentur S&P Global

Die HighTech-Firmen werden nicht müde, die Befreiung von Routinetätigkeiten und den Zeitgewinn für kreative Aufgaben zu proklamieren. Fragt man die Beschäftigten und vor allem ihre Interessenvertretungen, so bekommt man oft zu hören, keiner habe Zeit für kreative Aufgaben gewonnen, im Gegenteil die Arbeit werde immer weiter intensiviert. Freiraum für kreative Aufgaben, eher ein seltener Kollateral-Nutzen. Frage: Was läuft hier falsch?

Viele Unternehmen schauen fokussiert auf die Kosteneinsparungs-Versprechen. Es gibt sogar Fälle, in denen vorsorglich schon einmal das Personal reduziert wurde, bevor die Technik überhaupt zum Einsatz kam. Die Folgen: Frustration bei den Beschäftigten und meist auch bei ihren direkten Führungskräften, Dauerbeschädigung der Akzeptanz für die neue Technik - keine brauchbare Atmosphäre für den Aufbruch zu neuen Ufern der Unternehmenskultur.

Schaut man sich das Copilot-Leistungsspektrum kritisch an, so lassen sich leichte so-what- Gefühle nicht vermeiden. Man kann wenig machen, was vorher nicht auch ging, nur ein bisschen anders. Das Handling erfordert mehr Klicks, will man die neuen Features ausnutzen. Gut für Microsoft: Die Office-Tools werden noch intensiver als bisher genutzt. Vor dem Hintergrund des Cloud-Computing-Geschäftsmodells auch ein geschäftlicher Erfolg, denn jeder zusätzliche Klick bringt Geld. Ebenfalls mit Microsoft-Tools kann man die Nutzung der Software messen, aber was sagt das wirklich über Produktivität?

Pilotversuche

Große vor allem international aufgestellte Konzerne haben immer noch spezialisierte IT-Abteilungen, die sich um Künstliche Intelligenz kümmern, Mittelständler und die KMUs schauen eher zu. Sie sind schon großenteils ins Cloud-Computing eingestiegen. Das hat ihnen viel Arbeit in der Hardware- und Software-Administration eingespart. Aber auch ein Stück eigener Kompetenz ist damit verloren gegangen. Die KI-Technik ist neu, recht kompliziert, und man muss aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren. Da bietet sich ein Pilotversuch an, und sei es nur, um die Technik kennen zu lernen. Das Cloud-Angebot von Microsoft erfordert schließlich keine Investitionen vor Ort, nur den Zukauf entsprechender Lizenzen.

Für Unternehmensbereiche mit direktem Bezug zur Produktivität wie z.B. die Redaktion eines Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags oder die Forschungsabteilung eines Pharmaunternehmens stellt sich die Frage nach den Zielen eines solchen Pilotversuchs allerdings deutlich anders als für eine Organisationseinheit im Administrationsbereich mit viel typischer Büroarbeit. Soche Bereiche mit ausgeprägten bürospezifischen Tätigkeiten stehen am stärksten im Fokus möglichen Copilot-Nutzens.

Für erstere gibt es sehr viel speziellere Lösungen. Zeitungsverlage zum Beispiel arbeiten mit Redaktions- und Archivsystemen, Grafiktools und Planungsprogrammen, die nicht von Microsoft angeboten werden. Die Forschungsabteilung eines Pharmaunternehmens wird ihre Arbeit auch mit sehr speziellen, themenabhängigen Tools, beispielsweise zur Modellierung und Visualisierung komplexer Molekülstrukturen unterstützen. Hier spielt Copilot bestenfalls eine unterstützende Rolle am Rande der Kernaufgaben.

Bereiche mit typischen Bürotätigkeiten sind das Haupteinsatzgebiet der Office-Software Microsoft 365. Sie stehen daher auch im Fokus des Copilot-Angebots.

Ein Pilotversuch braucht eine Zielsetzung, die Festlegung eines Einsatzbereichs, die Auswahl der Zielpersonen für die Teilnahme und eine Auswertung der Erfahrungen:

Ziele des Pilotversuchs

Wenn ein Unternehmen sich Gedanken über die Erwartungen von der neuen Technik macht, geht es um unterschiedliche Fragestellungen:

  • Wie gut passt Copilot in die IT-Landschaft des Unternehmens?
  • Erweist sich die Technik als ausgereift genug, oder hat man noch mit zu vielen Kinderkrankheiten zu tun und sollte lieber mit einem umfangreicheren Einsatz noch etwas warten?
  • Welche Produktivitätsfortschritte sind angestrebt, und wie kann man diese Fortschritte messen?
  • Sind Kosteneinsparungen zu erwarten?
  • Ändert sich die Qualität der Arbeit für die einzelnen Personen und wen ja, worin besteht diese Qualitätsänderung?
  • Ändert sich die Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
  • Ergeben sich Konsequenzen für die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
  • Stimmt die These, dass durch Automatisierung von Routine- und Wiederholungstätigkeiten mehr Zeit für dispositive und kreative Aufgaben verfügbar wird, und wie wird diese gewonnene Arbeitszeit genutzt?
  • Hat der Einsatz Auswirkungen auf die Unternehmenskultur?

Zur Vorbereitung des Pilotversuchs lohnt sich ein genauerer Blick auf die Technik selbst und ihre Auswirkung auf die Arbeit, präziser: auf die Arbeitsqualität für die einzelne Person, aber auch die Zusammenarbeit im Team oder in der Gruppe:

Blick auf die Handhabung der Technik

Bei der Nutzung der Instrumente des Office-Paketes kann sich die Beobachtung an den einzelnen Tools orientieren: Wie gut funktionieren die Copilot-Pro-Features in den Programmen Word, Excel, Powerpoint usw.? Lohnt sich die Bilderzeugung per Künstlicher Intelligenz, welche Erfahrungen wurden mit der Handhabung dieser Tools gewonnen?

Zu den erfolgversprechenden Einsatzszenarien von Copilot zählen

  • komplette neue Texte mit Word erstellen,
  • Texte zusammenfassen oder neu bzw. anders formulieren,
  • Formatierungen und Design-Wünsche erfüllen.

Im Pilotversuch können die Erfahrungen der Benutzerinnen und Benutzer in solchen Situationen gesammelt werden, insbesondere auch der Umgang mit den Prompts (d.h. den Texten, die man schreiben muss, um das System zu bestimmten Leistungen aufzufordern), der Handhabung der Tools, deren Aufruf an unterschiedlichen Stellen angeboten wird (eigenes Fenster, oberes Menüband, rechte Maustaste). Gerade bei Powerpoint hat sich bisher gezeigt, dass die Output-Qualität ganz entscheidend von den eingegebenen Prompts abhängt. Lässt man sich eine Powerpoint-Präsentation zusammenstellen, steht und fällt das Ergebnis mit dem Detailgrad der Anweisungen. Auf Knopfdruck entsteht kein Business-taugliches Dokument.

Blick auf die Arbeitsabläufe

Microsoft sowie generell die KI-Anbieter werben gerne mit dem Argument, dass ihre Tools teamunterstützend sind und die Zusammenarbeit verbessern. Dieser Anspruch geht weit über die Verbesserung der Arbeitsqualität einer einzelnen Person hinaus und bedarf eigener Fragestellungen. Dazu existieren wenige bis keine Blaupausen.

Denkbar aber sind Auswirkungen auf

  • verbesserte Information über Arbeitszusammenhänge, Projektstände usw.,
  • gewonnene Zeit vorrangig für Besprechungen in Präsenz und insbesondere Austausch über neue Ideen.

Blick auf die Weiterentwicklung

Will man die Benefits bezüglich der Vereinfachung von sich wiederholenden oder routinehaften Arbeitsabläufen nutzen, so bietet sich die Verbindung von Chatbots mit Workflows an. Hier geht es um Erfahrungen,

  • welche Tätigkeiten für eine (teilweise oder vollständige) Automatisierung in Frage kommen,
  • wie sich dafür Workflows einrichten lassen,
  • welche Kompetenzen und Ressourcen die eigene IT für die Realisierung braucht und
  • welche zusätzlichen Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesagt sind.

Auswahl der Einsatzbereiche

Früher konnte man konzeptlose Pilotversuche leicht daran erkennen, dass IT- und Personalabteilungen die Auswahlopfer waren, nach dem Motto: Man nehme die Begeisterten und die per ordre-de-moufti Verpflichteten. Ohne weitere Fragestellungen kann man vom Ergebnis eines solchen Pilotversuchs nicht viel mehr erwarten als zu erfahren, ob und wie das Tool in die Softwarelandschaft passt, welche Schwierigkeiten es bei der Handhabung gibt und wie die Benutzerinnen und Benutzer mit oder ohne Einführungsschulung zurechtkommen.

Unternehmensberatungen, KI-Experten und Wirtschaftsjournalisten betonen immer, dass bei Bereichen mit geschätztem hohem Anteil an Routinetätigkeiten und Aufgaben mit hohem Wiederholungsgrad der Zeitgewinn bei der Arbeit im Vordergrund steht. Wenn man es nicht bei einem möglichen Kollateralnutzen für die gewonnene Zeit bewenden lässt, sollte die Aufmerksamkeit darauf gerichtet sein, wofür die gewonnene Zeit genutzt werden konnte.

Auswahl der Testpersonen

In bisherigen Pilotversuchen, jetzt nicht bezogen auf Copilot, konnte man sehr unterschiedliche Auswahlverfahren beobachten:

  • Eine Firma erwirbt z.B. 100 Lizenzen und verteilt sie nach dem Windhundprinzip (Wer sich zuerst meldet, bekommt eine Lizenz) oder nach dem Nasenprinzip (Die Chefs verteilen die Lizenzen an ihre Lieblinge)
  • Organisationseinheiten oder Teams mit ausgewählten oder allen Mitarbeitenden .

Was vom Widhundprinzip oder Nasenprinzip zu halten ist, bleibt dem geschätzten Leser überlassen. Bei der Wahl von Organisationseinheiten oder Teams gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann dies - wiederum per ordre de moufti - bestimmen oder Organisationseinheiten bzw. Teams auffordern, sich für die Teilnahme zu melden, was voraussetzt, dass man vorher dafür geworben hat, beispielsweise in Bereichsversammlungen, Besprechungsrunden mit den Führungskräften, geeigneten betriebsinternen Veröffentlichungen.

Wichig ist, dass sich unter den Testpersonen nicht nur Technikbegeisterte befinden, sondern auch Menschen, die der Technik gegenüber skeptisch eingestellt sind oder sich schwer damit tun. Gerade die Erfahrungen dieser Personen erlauben wichtige Hinweise für Qualifizierungsmaßnahmen.

Erfahrungsaustausch

Pilotversuche sind in der Regel zeitlich begrenzt. Danach bietet sich an

  • mangels ausreichender Erfahrungen den Pilotversuch wiederum zeitlich befristet zu verlängern,
  • den Einsatz abzubrechen, z.B. wegen der Erkenntnis, dass die Technik-Erfolge (noch) zu weit hinter den Erwartungen zurückbleiben oder
  • den Einsatz auf andere geeignete Bereiche auszudehnen.

Mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sollte - vorzugsweise in Form einer Präsenzveranstaltung - ein organisierter Erfahrungsaustausch stattfinden. Es sind Firmen bekannt, die bei ähnlichen Projekten ihre Testpersonen während des Ablaufs der Testperiode zu einer Art Brainstorming über den Stand der Erfahrungen eingeladen haben. Solche Veranstaltungen bieten eine hervorragende Stoffsammlung für strukturierte Fragestellungen für die Schlussrunde. Hilfreich ist auf jeden Fall auch eine Dokumentation der Erfahrungen.

Am Ende des Pilotversuchs sollte auch Klarheit darüber bestehen, welche Qualifizierungsmaßnahmen für die (späteren) Benutzerinen und Benutzer wünschenswert, angebracht oder notwendig sind.

Auswirkungen

Viele Experten sind sich einig, dass die zunehmende Integration von Elementen Künstlicher Intelligenz den Anteil der computergebundenen Arbeit an der Arbeitszeit erhöhen wird. Ein Pilotversuch ist sicher keine belastbare Grundlage für eine Prognose, welche Auswirkungen sich daraus für die Beschäftigten ergeben. Doch einigen der behaupteten oder vermuteten Trends sollte zumindest eine kritische Beobachtung gelten:

Eine internationale Studie des renommierten Beratungsunternehmens Boston Consulting Group (BCG) vom Oktober 2023 über die KI-Erfahrungen ihrer eigenen Beraterinnen und Berater kam u.a. zu dem Ergebnis, dass die KI-Nutzer dazu neigten, „ihr Gehirn abzuschalten“ und ihr „Urteilsvermögen an die KI auszulagern“.  70 Prozent der BCG-Berater befürchteten, dass die Verwendung von ChatGPT ihre kreativen Fähigkeiten mit der Zeit ersticken würde.

Der Ulmer Psychiatrieprofessor Manfred Spitzer hat neben den positiven Aspekten der Digitalisierung schnellerer Informationsgewinnung, verbesserter Möglichkeiten der Vernetzung und neuer Lernformen auf die Verdrängung von realen Interaktionen durch virtuelle Kontakte, Vereinsamung und zunehmende soziale Isolation hingewiesen.

Die Behauptung vieler Auguren, die neue Technik befreie von eher monotonen Routinetätigkeiten und schaffe Freiräume für mehr kreative Aktivitäten, ist eine sorgsame Beobachtung wert.

Ausblick

Auf die hohe Abhängigkeit, die ein Unternehmen eingeht, wenn es sich ausschließlich auf Microsoft verlässt, wurde bereits hingewiesen. Zu bedenken ist, dass es bereits eine Vielzahl von Alternativen zu Microsofts Copilot gibt. Die anwendenden Firmen sollten sich genau ansehen, wofür sie künftig mehr Geld bezahlen wollen. Nüchtern betrachtet sind die Dinge, die man mit Copilot tun kann, dieselben, die man auch ohne Copilot erledigen konnte.

Wenn ein Unternehmen an einem intelligenten Einsatz Künstlicher Intelligenz interessiert ist, sollte die Startfrage immer lauten:

  • Wobei kann die Künstliche Intelligenz gegenüber dem Status quo einen wirklichen Fortschritt bieten, für die Geschäftsinteressen, die Produktivität, die Mitarbeitenden und ihre Arbeit?
  • Zweite Frage: Welche Ressourcen braucht ein Unternehmen, um die Dinge wieder in die eigene Hand zu nehmen? Für die Gestaltung seines Kerngeschäfts empfiehlt es sich ja nicht, so zu sein wie alle anderen auch, sondern das Besondere des eigenen Unternehmens in Szene zu setzen. Dazu kann Künstliche Intelligenz ein brauchbares Katapult sein.

Um diesen Ansprüchen zu genügen brauchen Unternehmen Kompetenz im Umgang mit der neuen Technik, offene Kommunikation vor allem über Abteilungs- und Bereichsgrenzen hinaus und einen Mindset, der sich an den nachweisbaren Benefits der neuen Technik orientiert und ihre Risiken in kontrollierten Grenzen hält.

 

Karl Schmitz März 2024