Grundsätze und Rahmenbedingungen für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum SAP-System HR

1. Prozessorientierte Beteiligungsrechte

Das Betriebsverfassungsgesetz sieht für die Wahrnehmung der Mitbestimmung die strenge Form des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung vor; dabei sind die Dinge dann abschließend geregelt. Damit ist die Mitbestimmung "verbraucht". Diese Art der Beteiligung wird dem Prozesscharakter anhaltender Änderungen von Software-Systemen nicht gerecht. Daher sollte vereinbart werden, dass bei neu auftretenden Problemen im Zusammenhang mit dem Einsatz und der Weiterentwicklung eines Software-Systems auch weiterhin die Möglichkeit einer Regelung besteht, mit anderen Worten die Mitbestimmung als "nicht verbraucht" gilt (Vereinbarung eines Initiativrechts für den Betriebsrat).

2. Grundsatz strikter Zweckbindung

Für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten hat der Grundsatz strikter Zweckbindung zu gelten (Bundesverfassungsgericht 1983 im sog. Volkszählungsurteil). Dieses Gebot ist durch die Philosophie insbesondere der relationalen Datenbanken tendenziell aufgehoben, denn Zweck einer Datenbank ist die Speicherung von Daten ohne Kopplung an konkrete Verwendungszwecke. Diese Zweckbindung muss mit organisatorischen Mitteln wieder hergestellt werden. Dazu bietet sich die Vergabe der Zugriffsberechtigungen an. So ist beispielsweise sicherzustellen, dass im Zusammenhang mit einer internen Bewerbung angefallene zusätzliche Personaldaten nur im Prozess der Bewerbung, nicht aber in anderen Zusammenhängen, Verwendung finden.

3. Sparsames Reporting

Reporting orientiert sich an der Beobachtung von Kennziffern. Es sollte der Grundsatz gelten, dass nur solche Kennzahlen verwendet werden, die auch einem kommunizierten Unternehmensziel entsprechen, über das Konsens besteht.

4. Anonymisierte Datenbasis für Auswertungen

Das SAP-System bietet mit seinem Business Warehouse die Möglichkeit, das Reporting vom Tagesgeschäft zu trennen. Hierin liegt die Chance, die im Business Warehouse als parallel zum operativen System HR geführtem System die Daten nicht eins zu eins zu übernehmen, sondern bereits so aufzuarbeiten, wie es zur Erfüllung der Reporting-Zwecke sinnvoll ist. Dabei könnte als ein wichtiger Grundsatz verabredet werden, dass es im Reporting keine Auswertungen der Personaldaten geben darf, in denen einzelne Personen identifiziert sind. Somit wäre zu verabreden, dass die Personalnummer nur als interner Schlüssel benutzt werden darf, um Datenbanktabellen untereinander zu verbinden. Die Personalnummer oder ein sonstiges personenidentifizierendes Merkmal darf aber in keiner Benutzersicht zugänglich sein. Somit wären auch keine Auswertungen möglich, in denen einzelne Personen erkennbar sind. Eine detaillierte Regelung "erlaubter" Auswertungen (wie in vielen Betriebsvereinbarungen noch üblich) könnte damit entfallen. Wer eine namentliche Liste oder Auswertung haben will, müsste auf entsprechende Funktionen im operativen HR-System zurückgreifen. Diese Funktionen wären zahlenmäßig auf ein Minimum zu begrenzen und im Einzelnen zu vereinbaren.

Für besonders überwachungsgeeignete Daten (wie z.B. Fehlzeiten) bestünde die Möglichkeit, Datenbanktabellen aufzubauen, die nur Summendaten enthalten (beispielsweise Krankentage pro Kostenstelle oder Abteilung) und keine Informationen über einzelne Personen mehr darstellen.

5. Ausschluss besonders überwachungsgeeigneter Daten von Ad-hoc-Abfragen

Die Software-Hersteller halten sich nicht an den Verhältnismäßigkeits-Grundsatz, der einen sparsamen Umgang mit Personaldaten gebieten würde. Die Systeme sind vielmehr übermächtig ausgestattet und für alle Eventualitäten der Personalwirtschaft ausgelegt. Es hat sich als wenig zweckmäßig erwiesen, in einem sog. Datenkatalog den Umfang der benutzten Personaldaten detailliert festzulegen (Das SAP HR-System bietet über 3000 Datenfelder an, die theoretisch alle genutzt werden könnten). Stattdessen könnte man bestimmte Daten markieren, die wegen ihrer erhöhten Überwachungseignung als besonders schutzwürdig zu betrachten wären. Zu solchen Daten gehören Daten über

Durch die Organisation der Datenbasis in sog. Infotypen erleichtert das SAP-System diese Vorgehensweise. Man könnte all jene Infotypen markieren, die solche besonders schutzwürdige Daten enthalten und verabreden, dass für ihre Verarbeitung besondere, strengere Regeln gelten sollen, während für den Rest der Datenbasis die Bindung an eine allgemeine Zweckbestimmung des Systemeinsatzes ausreichen sollte. Erfahrungsgemäß machen die als besonders schutzwürdig bezeichneten Daten weniger als fünf Prozent der genutzten Datenbasis des Systems aus. So bleibt der Regelungsaufwand in überschaubarem Rahmen.

6. Sensibler Umgang mit Qualifikations- und Beurteilungsdaten

Die führenden Anbieter von HR-Software scheinen sich zur Zeit gegenseitig übertrumpfen zu wollen mit Angeboten zum Qualifikations-, Skill- oder Kompetenz-Management, obwohl es zur Zeit im deutschsprachigen Raum keinen vorzeigbaren Referenzkunden gibt, bei dem ein solches System mit nachweisbarem Nutzen eingesetzt wird. In den Konzepten wird unterschieden zwischen fachlichen, methodischen und sozialen Skills bzw. Kompetenzen. Nach denselben Kategorien wie die Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann man die Anforderungen der Arbeitsplätze beschreiben, und schon ist man beim automatisierbaren Profilabgleich, der bereits in den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf breiten Protest stieß und die Debatten über den "gläsernen Menschen" vorwärts trieb. Noch weitergehende Konzepte sehen eine Unterscheidung zwischen Selbsteinschätzung der Fähigkeiten durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selber und einer Fremdeinschätzung durch die Vorgesetzten vor.

Während man sich über den Umgang mit fachlichen Qualifikationen noch relativ leicht verständigen kann, wird es bei den methodischen und erst recht bei den sozialen Kompetenzen schwierig. Die Feststellung sozialer Kompetenzen wie z.B. Kritikfähigkeit, Teamfähigkeit, Lernfähigkeit oder "Denken in unternehmerischen Zusammenhängen" ist ein subjektives Urteil und wenig geeignet, um mit sog. Skill Level versehen in einer Datenbank gespeichert zu werden.

Bevor der Aufbau des geplanten Kompetenzmanagements begonnen wird, sollte eine Verständigung über die folgenden Themen gefunden werden:

Ein Erfolg versprechendes Kompetenzmanagement kann nur durchgeführt werden, wenn es auf die uneingeschränkte Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stößt. Daher ist die Vertraulichkeit im Umgang mit den hochsensiblen Informationen hier besonders wichtig. Man wird also die geplanten Programmfunktionen und Auswertungen im Detail vereinbaren müssen (Beispiel).

7. Geeignete Bereiche für Employee Self Services (ESS)

Als in Frage kommende Einsatzgebiete für ESS werden seitens der Software-Anbieter hauptsächlich genannt:

Grundsätzlich eignet sich für ESS alles, was in Unternehmen über Formulare abgewickelt werden kann. Wegen des beachtlichen Einführungsaufwands wird ein ESS-Projekt umso lohnender, je mehr Vorgänge auf diesem Wege abgewickelt werden. ESS darf daher nicht mit verengtem Blick auf die wenigen Pilotanwendungen in der Einführungsphase betrachtet werden, sondern als Einstieg in die Online-Abwicklung aller formalisierbaren Vorgänge.

Employee Self Services können nicht ohne ihr Gegenstück, Manager's Self Services (bei SAP: Manager's Desktop) betrachtet werden. Damit verbunden ist eine wesentlich breitere Verteilung von Personaldaten im Betrieb als in früheren Zeiten. Ebenfalls ändert sich die Rolle der Personalabteilung(en), wenn vieles im Wege der "Selbstbedienung" abgewickelt wird.

Auch hier sollte man sich vorab über eine Grenzziehung verständigen und die Entwicklung nicht nur dem Zufall oder einem trial-and-error-Verfahren von kurzfristig bewertetem Erfolg und Misserfolg überlassen.

8. Portale

Unter dem Gesichtspunkt benutzerfreundlicher Software können Mitarbeiterportale einen großen Fortschritt darstellen. Man findet den Einstieg in alle Anwendungen, mit denen man arbeiten soll, in auf die eigene Person zugeschnittener Form auf einem Bildschirmbild. SAP bietet ein solches Verfahren an.

Für das Unternehmen stellt sich hier die Frage der "Lufthoheit" über den Computereinsatz, nämlich die Frage, ob alle Anwendungen eines Benutzers über das SAP-Portal laufen, oder ob die SAP-Anwendungen in ein (Softwarehersteller-) unabhängiges Firmen-Portal integriert werden sollen.

9. Spielregeln für Workflows

Insbesondere die ESS-Anwendungen sind ohne Workflow nicht denkbar. Workflows bedeuten neben einer Automatisierung und Beschleunigung von Arbeitsabläufen aber auch Festlegung und damit Verlust von Flexibilität. Hier ist also Optimierung und nicht Maximierung gefragt.

Regelungsbedürftig ist das Eskalationsmanagement: die Festlegung, was geschehen soll, wenn in den Workflows vorgesehene Bedingungen (meist Termine) nicht eingehalten werden. Denkbare Grundsätze wären: