Vorbemerkung

In diesem Vorschlag wird davon ausgegangen, dass es nicht mehr um die Pilotierung eines Chatbot-Einsatzes geht, sondern dessen Benutzung schon weit fortgeschritten ist, größere Teile des Unternehmens betrifft oder bisher ungeregelt ist.

Sie können die Anmerkungen zu dem folgenden Text nach Belieben ein- und ausblenden.


Betriebsvereinbarung Einsatz von Chatbots

Präambel

Unternehmen und Betriebsrat sehen in den Chatbots und vergleichbaren Programmen der Allgemeinen Künstlichen Intelligenz eine Universaltechnologie, die sich in allen Bereichen der computerunterstützten Arbeit durchsetzen wird. Beide Seiten sehen es deshalb als ihre Aufgabe an, de Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Beschäftigten einen kompetenten Umgang mit der Technik erlernen können.

Gegenstand und Geltungsbereich

Diese Vereinbarung regelt den Einsatz von Chatbots im Unternehmen ... [Name des Unternehmens]...

Sie regelt ferner das Beteiligungsverfahren des Betriebsrats an der Weiterentwicklung der Technik und der Veränderung ihres Einsatzes.

Die Vereinbarung gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Computerunterstützung arbeiten.

Zielsetzung

Beide Seiten stimmen darin überein, dass die Chatbots zur Unterstützung und Verbesserung der Arbeit und nicht zum erklärten Zweck des Ersatzes von Arbeitsplätzen eingesetzt werden. Sie sind sich weiter einig, dass Chatbots in keiner Weise zur Überwachung von Leistung oder Verhalten der Beschäftigten verwendet werden.

Technische Realisierung

In diesem Abschnitt werden die technischen Detailsdes Chatbot-Einsatzes beschrieben:

  • Name des Chatbot-Produktes, der Anbieterfirma und ihres Hauptsitzes. Wenn mehrere Chatbots zur Auswahl angeboten werden, sind sie hier aufgezählt.
  • Wenn der Chatbot im Rahmen einer Software-Platform zur Verfügung gestellt wird, z. B. Microsoft Copilot, sollte diese benannt und kurz beschrieben werden.
  • Weiter wird vermekt, ob es sich um einen Cloud-Dienst handelt oder eine lokale Installation (on premises). Bei einer Cloud-Lösung sollte der Betreiber der Cloud ebenfalls benannt werden
  • Wurde das Sprachmodell des Chatbots mit firmenspezifischen (oder anderen) Daten nachtrainiert oder feinjustiert, sozusagen zu einem firmenspezifischen Chatbot weiterentwickelt? Wenn ja, sollte die Art dieser Daten kurz beschrieben werden.

Anmerkung: Warum ist das wichtig?
Wenn es sich um das Produkt eines US-amerikanischen Anbieters handelt, kann der Konflikt zwischen dem America-first-Rechtssystem und dem europäischen System eine Rolle spielen. Anbetracht der schwer kalkulierbaren amerikanischen Politik ist diese Rolle zurzeit nur schwer einschätzbar. Es ist auf jeden Fall nützlich, sich genauer auszukennen und die Entwicklung zu beobachten. Das schließt auch den Blick auf die nicht-amerikanischen Alternativen ein, z.B. Le Chat der französsischen Firma Mistral AI oder Lumo des Schweizer Anbieters Proton. Die Zahl der Anbieter eines vortrainierten Systems, das auch lokal installiert werden kann, nimmt dankenswerterweise zu.

Grundsätze für den Chatbot-Betrieb

Schutz der Persönlichkeitsrechte

Das Unternehmen sichert ausdrücklich zu, dass keinerlei Aufzeichnungen über die Benutzungshistorie oder über Protokollierungen der Benutzeraktivitäten zum Zweck der Überwachung von Leistung oder Verhalten der Benutzerinnen und Benutzer verwendet werden.

Die vom Chatbot angebotene Chat-Aufzeichnung ist an die persönliche Berechtigung gebunden und nur der benutzenden Person zugänglich. Sie entscheidet allein über die Speicherdauer ihrer Chatverläufe und darüber ob und wem sie ihre Chatverläufe zugänglich macht. Die Führungskräfte haben nicht das Recht, die Einsicht in die Chatverläufe anzuordnen.

Verfügbarkeit

Unternehmen und Betriebsrat gehen davon aus die die den Chatbots zugrundeliegende Technik eine Universaltechnik ist, die aus der Arbeit nicht mehr wegzudenken ist und die Arbeitsweise langfristig und dauerhaft verändern wird. Mit Blick auf einen auch in Zukunft noch sicheren Arbeitsplatz ist es daher wichtig, dass jede von diesen Veränderungen betroffene Person einen kompetenten Umgang mit der Technik lernt. Daher gilt der Grundsatz, dass allen Beschäftigten, die für ihre Arbeit einen Computer benötigen, die Benutzung eines Chatbots zur Verfügung gestellt wird.

Wenn dies aus irgendwelchen Gründen für nicht praktikabel oder verfrüht gehalten wird, dann sollte auf jeden Fall das Ziel benannt werden, alle Beschäftigten so schnell wie möglich mit der Technik in Berührung zu bringen. Möglich wäre eine Zeitplan, in dem die Bereiche und das geplante Einsatzdatum genannt werden, vorzugsweise in einer Anlage zu dieser Vereinbarung.

Problematisch und deshalb auszuschließen sollte ein Vorgehen sein, dass sich z.B. die Beschäftigten selbst um die verfügbaren Lizenzen bemühen (das sog. Windhund-Prinzip) oder dass die Führungskräfte nach eigenem Ermessen die Lizenzen verteilen (oft als Lieblingsprinzip verspottet). Ein solches Vorgehen führt immer zur - eigentlich nicht verantwortbaren - Benachteiligung derjenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ausgeschlossen bleiben.

Chatbotauswahl

Es werden nur die vom Unternehmen offiziell zur Verfügung gestellten Chatbots benutzt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gehalten, keine über Browserangebote zugänglichen anderen Chatbots auf Computern des Unternehmens zu verwenden.

Anmerkung: Eine ungeregelte Chatbot-Nutzung kann schnell zu Sicherheitsproblemen führen. Vor allem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Anbieter den Benutzungsverlauf für künftige Trainingszwecke verwenden.

Multimediale Experimentierräume

Die Chatbot-Technik hat sich schnell erweitert und ist nicht mehr ausschließlich an Texteingaben durch den Benutzer gebunden. Sie erlaubt heute das Bearbeiten ganzer Dokumente, die Ein- und Ausgabe über Sprache und die Verwendung von Bild- und Filmmaterial.

Unternehmen und Betriebsrat beraten darüber, wie ein Experimentierraum geschaffen werden kann, um herauszufinden, welche technischen Neuheiten sich in welchen Arbeitssituationen unter welchen Bedingungen sinnvoll nutzen lassen.

Anmerkung: Wenn man die eigenen Mitarbeitenden ermuntern will, eigenständig Erfahrung mit KI zu sammeln und mit KI herumzuexperimentieren, empfiehlt es sich, dafür Räume zu schaffen. Einige Unternehmen geben an, in ihrer IT-Infrastruktur eine Art "KI-Spielplätze" eingerichtet zu haben, sozusagen Sandbox-Bereiche, in denen man auch einmal versuchen kann, Chatbots an ihre Leistungsgrenzen zu treiben.

Wenn mehrere Personen in einem Raum arbeiten, kann es als störend empfunden werden, wenn einzelne Personen sich lautstark mit ihrem Computer unterhalten - ein Umstand, der sich natürlich durch geeignete Hardware vermeiden lässt (Kopfhörer, Micro).

Wie man mit den einzelnen Merkmalen der Technik umgeht, ist oft Thema von Leitlinien oder Richtlinien. Diese sollten sich aber auf praktische Erfahrungen beziehen und nicht mit juristischen Klauseln die Leute verunsichern. Der hier angesprochene Experimentierraum könnte ein Ort sein, solche Erfahrungen zu sammeln.

Kritische Einsatzbereiche

Die Technik der hinter den Chatbots stehenenden Sprachmodelle befindet sich in einer extrem schnellen Weiterentwicklung, die insbesondere die Spezialisierung auf einzelne Aufgabengebiete betrifft. Als kritisch sind die folgenden Erweiterungen zu betrachten:

  • Anreicherungen um Elemente künstlicher Empathie,
  • automatische Emotionserkennung,
  • Erzeugung von persönlichen Profilen,
  • Unterstützung von Mitarbeiterbeurteilungen und Leistungsbewertungen

Ein Einsatz von Softwareprodukten mit solchen Leistungsmerkmalen ist nur im Rahmen einer vor dem Einsatz abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zulässig.

Anmerkung: In dem auf dieser Platform vorgestellten Entwurf einer KI-Rahmenvereinbarung habe ich vorgeschlagen, eine Verzichtsklausel für solche Anwendungenaufzunehmen. Beim derzeitige Stand der Entwicklung ist eine Grenzziehung über einen unter genau beschriebenen Bedingungen erlaubten Einsatz oder einen generellen Verzicht außerordentlich schwierig.

Schulung und Weiterbildung

Die Entwicklung der Technik hinter den Chatbots erfolgt in einem extrem schnellen Tempo, so dass eine einmalige Einführungsschulung nur als Starthilfe betrachtet werden kann. Aus diesem Grund werden den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Angebote unterbreitet, um ihr Wissen auf einem aktuellen Stand zu halten und sie zu ermutigen, auch in eigener Initiative nützliche Anwendungen in ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet zu erproben.

Schulungsinhalte

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Organisationsbereichs, in dem eine Chatbot-Nutzung zur Verfügung gestellt wird, erhalten eine Schulung, die folgende inhaltliche Aspekte umfasst:

  • Eine kurze Einführung, wie die Technik überhaupt funktioniert: Neuronale Netze, Sprachmodelle, Chatbots und ihre Funktionsweise: Arbeiten mit Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik auf der Basis sehr großer Datenmengen, Training der Systeme und Filterung der Antworten.
  • Erläuterung der Leistungen und der Grenzen, das sog. Halluzinieren. Notwenigkeit der Überprüfung bei kritischen Sachverhalten.
  • Sog. Prompting: Beispiele für welche Themen relativ verlässlich beantwortet werden und bei welchen Themen man das Ergebnis unbedingt überprüfen sollte.
  • Vorsichtsmaßnahmen: Vermeidung persönlicher Mitarbeiterdaten und keine Eingabe von Interna des Unternehmens (besonders wichtig, wenn nicht technisch sichergestellt ist, dass keine Fragen und Antworten der Chats an die Chat-Anbieter weitergegeben werden).
  • Eventuelle Entscheidungsvorschläge immer nur als Vorschläge betrachten und niemals ungeprüft umsetzen.

Anmerkung: Ein großer Fehler, der leider von vielen Unternehmen gemacht wird, besteht darin, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach mit den Chatbots herumprobeln zu lassen. So hängt alles vom Zufall ab. Die Gefahr einer weiteren Polarisierung zwischen technikaffinen Mitarbeitenden und den Menschen mit Schwierigkeiten, Ängsten oder Vorbehalten gegenüber der Technik wird verschärft.

Es ist wichtig, die gängigen Missverständnisse bezüglich der chronisch überschätzten Leistungsfähigkeit der Technik nicht erst entstehen zu lassen. Dies lässt sich am besten über eine realistische Information über die Leistungsmöglichkeiten, aber auch ihre Grenzen erreichen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten wissen, was die aktuelle KI-Technik niemals kann. Ein Vergleich zwischen künstlicher und natürlicher Intelligenz ist hier sehr nützlich.

Form der Schulungen

Als Medien für die Schulung, kommen Präsenzschulungen, Webinare, E-Learnings und digital angebotenes Informationsmaterial zu einzelnen Aspekten der Technik sowie Beispielen ihrer (erfolgreichen und nicht erfolgreichen) Anwendung in Betracht.

Für eine Erstschulung ganzer Organisationseinheiten empfieht sich unbedingt eine Präsenzveranstaltung mit Aussprachemöglichkeit für die Teilnehmer. Die Wiederholung solcher Veranstaltungen sollte im Bildungskatalog des Unternehmens oder in einem vergleichbaren System angeboten werden.

Infolge des hohen Entwicklungstempos der KI-Technik werden Schulungen zu Updates der Technik angeboten, in denen die zwischenzeitlichen Veränderungen vorgestellt und Empfehlungen zum Umgang mit ihnen erörtert werden.

Verfügbares Informationsmaterial

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird in geeigneter medialer Form Gelegenheit geboten, ihr Wissen zu einzelnen Aspekten der Technik zu vertiefen.

Anmerkung: Vielleicht ist es nützlich, das Schulungsangebot um punktuelle oder regelmäßige Treffen zu ergänzen, die dem Erfahrunsaustausch der Benutzerinnen und Benutzer unter sich und mit den Projektverantwortlichen dienen.

Haftungsausschluss

Sollten sich (rechtliche) Probleme durch den Chatbot-Gebrauch ergeben, z.B. dass Urheberrechte verletzt wurden oder doch Unternehmens-Interna nach außen gelangt sind, so sind die betroffenen Beschäftigten von jedweder Haftung für eventuell entstandene Schäden freigestellt; ausgenommen davon ist nur nachgewiesene Absicht.

Die Chatbot-Technik ist nicht verlässlich, das wird von den meisten Anbietern auch zugegeben. Die Gefahr der geschilderten „Pannen“ ist insbesondere bei den Systemen der Allgemeinen generativen Intelligenz (AGI, englisch Artificial Generative Intelligence) hoch, zu denen die Chatbots gezählt werden.

Ihr Anspruch besteht darin, in jeder Hinsicht mit menschlicher Intelligenz vergleichbar oder gemäß der Hersteller-Propaganda sogar überlegen zu sein. Folgt man den Technik-Propheten, so wäre diese Technik nicht mehr auf einzelne Aufgaben beschränkt, sondern universal einsetzbar, lernfähig und flexibel.

Zumindest die Verbreitung solcher „Pannen“ kann ausgeschlossen werden, wenn Chatbots benutzt werden, die sich in ausschließlicher Verfügung des Unternehmens befinden, also lokal oder in einer private Cloud des Unternehmens und nicht in Obhut eines Hyperscalers als Provider installiert sind.

Für hieraus entstehende Konflikte können Benutzerinnen und Benutzer nur bei Vorsatz verantwortlich gemacht werden.

Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Anmerkung: Das Beteiligungsverfahren des Betriebsrats wird in der Regel in Rahmenbetriebsvereinbarungen behandelt. Gibt es eine solche Vereinbarung nicht, so sollten die folgenden Punkte in der Chatbot-Vereinbarung geregelt werden.

Über Veränderungen des Chatbot-Einsatzes (z. B. neue Leistungsmerkmale seitens des Herstellers, Austausch der Produkte durch ein anderes Produkt, Einbettung in eine andere Systemumgebung, Erweiterung um unternehmensspezifische Daten mit eigenem Systemtraining) wird der Betribsrat rechtzeitig informiert. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass Chatbots mit Workflows verbunden werden, im Sinne einer KI-Agenten-Technik.

Anmerkung: Eine ernstzunehmende Gefahr für den Erhalt von Arbeitsplätzen kann dann entstehen, wenn mit Hilfe von Chatbots automatisierte Arbeitsabläufe angestoßen werden, wie es in den Konzepten der sog. Agenten-Technik beschrieben wird. Hier hilft nur eine genauere Betrachtung der konkreten Situation. Hier finden Sie ein Beispiel, das den Einsatz einer solchen Technik in einem Logistik-Unternehmen beschreibt. Auch in der Personalwirtschaft lässt sich diese Technik verwenden, wie das folgende Beispiel der Erzeugung von Zielvereinbarungen via Chatbot zeigt - Ergebnisse, die durchaus qualitativ besser sein können als viele von Führungskräften ausgedachten Texte.

Nach einer festzulegenden Zeit (z.B. einem Jahr) findet zwischen den für den Technikeinsatz und die Schulung verantwortlichen Personen des Unternehmens und dem Betriebsrat ein gemeinsamer Erfahrungsaustausch statt. Dabei wird auch das weitere Vorgehen beraten und ggf. vereinbart.

Macht der Betriebsrat geltend, dass die Grundsätze dieser Vereinbarung nicht eingehalten sind oder dass sich neuer Regelungsbedarf ergibt, so findet ebenfalls eine gemeinsame Beratung statt. Auf Wunsch des Betriebsrats wird über eine einvernehmliche Regelung verhandelt.

Kommt in den Fällen, in denen diese Vereinbarung das Einvernehmen beider Seiten vorsieht, eine Einigung nicht zustande, so haben beide Seiten das Recht, eine gemäß §76 Ziffer 5 BetrVG zu bildende Einigunsstelle anzurufen. Diese entscheidet im Rahmen ihrer Zuständigkeit.

Schlussbestimmungen

Die üblichen Regelungen über Inkrafttreten, Kündigung und Nachwirkung.

Karl Schmitz • Juli 2025