Rahmenbetriebsvereinbarung Künstliche Intelligenz

Fast im Wochentakt gibt es Neues aus der Technik. Viele Firmen sind noch weit entfernt von umsetzbaren Konzepten; sie tasten sich eher vorsichtig an das Thema heran. Die Entwicklung ist noch zu schnell für eine auch in Zukunft belastbare Regelung. Der folgende Vorschlag hat daher nur eine kurze Halbwertszeit und ist eher eine Stoffsammlung, aus der man sich passende Anregungen auswählen kann.

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Präambel
 

Eine Präambel ist keine Regelung, aber sie verrät den spirit der vertragsschließenden Parteien, wichtig als Orientierung bei kritischen Fragen.

Die Betriebsparteien sollten in einem vorbereitenden Gespräch herausfinden, auf welche Grundsätze man sich einigen kann, Grundsätze, die nicht als abschließende Regelungen zu verstehen sind, sondern als Perspektiven, Richtlinien oder Guidelines, die den Rahmen abstecken für die beabsichtigte Entwicklung.

Eine wichtige Richtschnur sollte sein, die KI-Technik als Werkzeug zur Unterstützung der menschlichen Arbeit zu sehen und nicht als Ersatz für sie.

Unternehmen und Betriebsrat ist bekannt, dass Künstliche Intelligenz sowohl mit Chancen als auch mit Risiken für die Arbeit verbunden ist. Das hohe Tempo der Entwicklung lässt viele Menschen besorgt in die Zukunft ihres Arbeitslebens schauen. Diese Vereinbarung will einen Beitrag dazu leisten, der Künstlichen Intelligenz eine klare Priorität für die Unterstützung und nicht den Ersatz der menschlichen Arbeit zuzuweisen. Sie will die Rahmenbedingungen dafür festlegen, dass die erforderlichen Transformationen verträglich gestaltet werden.


Gegenstand und Geltungsbereich
 

Das Marketing fast aller Softwareanbieter lässt keine Chance aus, um zu behaupten, dass überall in ihren Systemen KI drin ist. Selbst SAP will mit einer behaupteten Führungsrolle in Sachen business AI punkten. Es ist daher wichtig, eine klare Grenze zu ziehen, was man im Sinne der Vereinbarung unter Künstlicher Intelligenz verstehen will. Man könnte z.B. unterscheiden zwischen

  • KI-Infrastruktur,
  • einzelnen KI-Anwendungen mit definiertem Verwendungszweck und
  • KI-Projekten.

Diese Betriebsvereinbarung legt als Rahmenregelung Grundsätze für die Planung, den Einsatz und die Weiterentwicklung von Systemen der Künstlichen Intelligenz in den Betrieben des Unternehmens fest.

Sie regelt ferner die Qualifizierung der Mitarbeitenden und die Beteilung des Betriebsrats an diesem Prozess.


Zielsetzung
 

Unternehmen und Betriebsrat werden die Entwicklung der KI-Technik mit kritischem Optimismus beobachten und darüber im Gespräch bleiben. Beide Seiten sind sich einig, die Technik nur dort einzusetzen, wo sie einen erkennbaren Fortschritt für die Produktivität und die Verbesserung der Arbeitsqualität bringt und die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verletzt oder einschränkt.

Unternehmen und Betriebsrat sind sich ebenfalls einig, die KI-Technik so einzusetzen, dass der Fokus auf die positiven Chancen für Produktivität und Arbeitsqualität gerichtet bleibt und negative Folgen für den Arbeitskräfteeinsatz vermieden werden.


Grundsätze für den Einsatz Künstlicher Intelligenz
 

Auch wenn die KI-Technik noch eher am Anfang ihrer Entwicklung steht, lassen sich einige allgemeine Regelungen benennen, die den Korridor zukünftiger Einsatzmöglichkeiten in einem Unternehmen abstecken. Diese Regelungen verstehen sich als Leitlinien für den geplanten Einsatz.

Beiden Seiten ist der vorläufige Charakter dieser Leitlinien bewusst. Es muss klar sein, dass sie nach einer gewissen praktische Erfahrungen einer Überprüfung bedürfen, sei es in Form einer Ergänzung oder Präzisierung.

In diesem Abschnitt werden Gestaltungsregeln vereinbart, die für alle Arten von Anwendungen gelten, deren Programme Elemente Künstlicher Intelligenz verwenden.

Allgemeine Grundsätze
 

Wahrung der Persönlichkeitsrechte: Beide Seiten stimmen darin überein, dass bei jedem KI-Einsatz die Beachtung der Persönlichkeitsrechte ein unabdingbarer Grundsatz ist und werden deshalb die im Abschnitt Verzichtserklärungen genannten Einschränkungen streng beachten. Die Technik wird nicht zum erklärten Zweck der Überwachung von Leistung oder Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt.

Werkzeugcharakter der KI-Technik: KI-Systeme werden in Arbeitssystemen mit menschlicher Arbeit nicht als Ersatz von Arbeit, sondern als Werkzeuge zur Unterstützung der Arbeit eingesetzt.


Es ist bekannt, dass Routine-Arbeitsabläufe und Arbeitssysteme mit hohem Anteil an sich wiederholenden Arbeitsschritten Kandidaten für eine Automatisierung sind. Unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsqualität sind Arbeitssysteme mit hohem Automatisierungsgrad und zwischengeschalteten manuellen (bzw. von Menschen zu leistenden) Arbeiten problematisch und sollten vermieden werden. Die von Menschen durchgeführten Arbeiten haben dann in der Regel nur Supervisionscharakter. All dies muss unternehmensspezifisch konkret betrachtet werden. Als Grundsätze oder Leitlinien könnte man jedoch vereinbaren:

Automatisierung technischer Abläufe: Soweit einzelne Arbeitsschritte durch den Einsatz von KI-Techniken ersetzt werden, wird darauf geachtet, dass das betroffene Arbeitssystem die menschliche Arbeit nicht auf Zuarbeiten für die technisierten Arbeitsabläufe reduziert oder in zeitlich gebundene Abhängigkeit von den automatisierten Arbeiten bringt. Ist dies der Fall, so wird die Automatisierung zurückgestellt, bis eine Vollautomatisierung der entsprechenden Arbeitssystem-Teile möglich ist. Für alle automatisierten Arbeitssysteme wird eine Supervisionsfunktion geschaffen, die von Menschen wahrgenommen wird.


Viele Anbieter von KI-Techniken locken ihre Kundschaft damit, auch Entscheidungsprozesse zu automatisieren. Damit würde der Grundsatz verlassen, KI als Werkzeug und nicht als Ersatz der Arbeit einzusetzen. In Grenzfällen, in denen solche Systeme die Durchführung von Entscheidungen anbieten, ist zu prüfen, ob solche Entscheidungen als systemseitige Vorschläge angeboten werden können, die ggf. einer ausdrücklichen durch verantwortliche Menschen getroffenen Bestätigung bedürfen. In jedem Fall sollten dann aber auch frei wählbare Alternativen zur Verfügung stehen (mit anderen Worten: die Handlungsmöglichkeiten sollte nicht auf eine Auswahl der vom System vorgeschlagenen Möglichkeiten begrenzt werden).

Automatisierungen von Entscheidungsprozessen berücksichtigen oft nicht und immer nicht ausreichend die Komplexität von Arbeitssystemen, die auch mit Unvorhergesehenem klar kommen müssen. Damit verbunden sind Risiken für Flexibilitätseinbußen und manchmal sogar für komplettes Systemversagen.

Die KI-Systeme sind noch weit davon entfernt, die Komplexität der realen Welt zu erkennen und deren Überraschungen und Vielfältigkeiten vorhersagen zu können. Deshalb ist Vorsicht bei der Automatisierung von Entscheidungen geboten.

Keine Automatisierung von Entscheidungsprozessen: Die Leistung von KI-Systemen bleibt auf Hilfestellungen insbesondere im Bereich der Verfügbarmachung von Informationen begrenzt. In der Grauzone von nicht vollautomatisierten Prozessen mit hohem Routinecharakter bedürfen Vorschläge der Systeme vor ihrer Ausführung immer einer ausdrücklichen Bestätigung durch die mit der Aufgabe betrauten Personen. In den Fällen, in denen KI-Systeme Vorschläge für Entscheidungen anbieten, wird ebenfalls die Möglichkeit frei wählbarer Alternativen eingerichtet.


Schon anderthalb Jahre nach dem Hype um den ersten Chatbot (OpenAI mit ChatGPT) macht sich eine gewisse Ernüchterung breit. Einerseits beklagen viele Firmen den mangelhaften Return on Investment - das viele in den Sand gesetzte Geld hätte anderen Orts besser gebraucht werden können. Auf der anderen Seite steht der eher zufallsgetriebene Umgang mit den neuen Instrumenten, nach dem Motto Dabeisein ist alles oder Angst vor Verpassen des Zuges. Es gilt daher, einem illusionären Umgang mit der Technik entgegenzutreten.

Klare Zielsetzung: Um Illusionen über den erwartbaren Nutzen des Einsatzes von Systemen der Künstlichen Intelligenz zu vermeiden, legt des Unternehmen für jede KI-Anwendung dem Betriebsrat

  • eine Beschreibung der beabsichtigten Ziele mit
  • einer Bewertung der verfügbaren bzw. erforderlichen Datenqualität,
  • einer Prognose der Einführungs- und laufenden Kosten,
  • einer Abschätzung der Auswirkungen auf den Arbeistkräfteeinsatz (Arbeitspaätze) sowie die Arbeitsqualität und
  • ggf. eine Bewertung der Risiken

vor. Auf Wunsch des Betriebsrats findet eine Beratung statt. Bei dieser Gelegenheit können die Betriebsparteien ebenfalls festlegen, ob nach einer bestimmten Zeit oder in regelmäßigen Intervallen eine erneute Beratung stattfinden soll.


Die Produkte der großen Systemanbieter (Google, Microsoft, OpenAI, Meta u.a.) werden als Cloud-Lösungen angeboten, wobei unklar ist, ob die Daten nicht als Trainingsmaterial für die Weiterentwicklung der Systeme verwendet werden. Dabei besteht die Gefahr, dass sowohl mitarbeiterbezogene Daten als auch Informationen, die interne Firmenabläufe und Geschäftsgeheimnisse betreffen, in die Hände der Anbieter gelangen. Glücklicherweise werden aber auch Systeme angeboten, die ein Unternehmen in seinem eigenen Rechnerpark installieren kann und somit in seiner eigenen Kontrolle bleiben. Solche Lösungen sollten vorrangig gewählt werden.

Vorrang für Vor-Ort-Installationen (on premise): Um die Kontrolle über die Verwendung der Daten innerhalb des Unternehmens zu halten, werden vorrangig Systeme eingesetzt, die sich in alleiniger Verfügung durch das Unternehmen befinden. Dies betrifft vor allem die vielen KI-Anwendungen zugrundeliegenden Sprachmodelle (Large Language Models) und die Chatbots.


Verzichtsregelungen
 

Achtung der Persönlichkeitsrechte: Beide Seiten stimmen darin überein, dass bei jedem KI-Einsatz die Beachtung der Persönlichkeitsrechte ein unabdingbarer Grundsatz ist und vereinbaren deshalb den Verzicht auf folgende Leistungsmerkmale in Systemen bzw. Programmen:

  • Verwendung von biometrischen Beschäftigtendaten (Fingerabdrücke, Gesichts-, Augen-, Stimm- oder Körperhaltungs-Daten) in Anwendungssystemen. Ausnahmen gelten nur für den alleinigen Zweck der Identifizierung im Rahmen der Berechtigung (Login) zu einer Anwendung oder einem Gerät.
  • Emotionserkennung jedweder Art: Es kommen keine Systeme zum Einsatz, die versuchen, die emotionale Befindlichkeit der Beschäftigten zu erfassen oder gar auszuwerten.

    Dieser Punkt ist kritisch. Solche Techniken werden schon seit längerem in Systemen eingesetzt, die mit Kundenkontakten zu tun haben (z.B. in Service-oder Call Centern, um Anrufe aufgeregter Kunden direkt an entsprechende Spezialisten weiterzuleiten). Wenn man der Meinung ist, im innerbetrieblichen Verkehr nicht auf solche Leistungsmerkmale verzichten zu können, so käme eine voll-anonyme Beschränkung auf eine reine Dispatcher-Funktion (Weiterleitung an eine andere Einheit) und ohne mitarbeiterbezogene Auswertungsmöglichkeiten in Betracht.

  • Automatisierte Leistungsbewertung: Auf die Erfassung von Mitarbeiterdaten zum erklärten Zweck einer automatisierten Leistungs-oder Verhaltensbewertung wird verzichtet. Soweit in anderen Zusammenhängen Daten erfasst werden, die sich objektiv für eine Leistungs- oder Verhaltensbewertung eignen, wird auf eine Verwendung dieser Daten zur Leistungs- oder Verhaltensbeschreibung und -bewertung verzichtet.
  • Anlegen und Verwenden von Profilen der Beschäftigten mit detaillierten qualifikations-, charakter- oder verhaltensbeschreibenden Daten.

    In vielen Unternehmen gibt es facebookartige Anwendungen, oft auf freiwilliger Basis, innerhalb derer Mitarbeitende eine Menge von teils hochsensiblen Daten über sich selbst freigeben. Sie stellen eine Gefahr als Datenquelle für eine Vielzahl weitergehender Anwendungen mit unbekanntem Verwendungszweck dar. Wenn solche Systeme weiter zugelassen oder vom Unternehmen offiziell betrieben werden, sollte ihr Einsatz, insbesondere die Verwendung durch das Unternehmen geregelt werden.


Abweichungen
 

Abweichungen von den in diesem Abschnitt genannten Grundsätzen bedürfen einer diese Vereinbarung ergänzenden Regelung, die für jeden Einzelfall abzuschließen ist. Diese Regelung muss

  • die verwendete Technik bzw. das eingesetzte System benennen,
  • die Abweichung genau bezeichnen und
  • den personellen und organisatorischen Einsatzbereich festlegen.

Die Regelung kann zeitlich befristet oder als Pilotversuch mit anschließender Beratung vereinbart werden.

Dieser Abschnitt eröffnet eine Art Experimentierklausel unter transparenten und kontrollierbaren Bedingungen. Auf diese Weise soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es zurzeit (2024) kaum möglich ist, die Veränderungen der Technik und ihrer Einsatzmöglichkeiten selbst in unmittelbarer Zukunft abschätzen zu können.


KI-Anwendungen
 

Die KI-Anwendungen betreffen die allgemeine Infrastruktur, den Einbau von KI-Elementen in Anwendungssysteme, eigene KI-Entwicklungen sowie Pilotprojekte, die solchen Entwicklungen vorausgehen können.

Zur allgemeinen Infrastruktur gehören z.B. die zur sog. Generativen Künstlichen Intelligenz zählenden Chatbots wie ChatGPT von OpenAI, Gemini von Google oder Microsoft Copilot mit dem dort genutzen ChatGPT, ebenso die Suchmaschinen wie Microsoft Bing oder das von OpenAI angekündigte SearchGPT (August 2024).

In Anwendungen integriert sind zahlreiche (angekündigte) Tabellenbearbeitungs- und Umsatzprognosefunktionen in SAP oder EinsteinGPT in Salesforce. Microsoft Copilot kann man als Grenzfall betrachten. Die Tendenz im Sommer 2024 geht in die Richtung vermehrter Integration von KI-Elementen in bestehende Systeme.


Das Unternehmen richtet eine Online-Dokumentation aller Anwendungen mit integrierten KI-Elementen ein, aus der die folgenden Informationen hervorgehen:

  • Name der Anwendung,
  • Name des Systemanbieters oder Kennzeichnung als Eigenentwicklung,
  • Kurze Beschreibung des Leistungsumfangs,
  • Auflistung der Einsatzbereiche innerhalb des Unternehmens,
  • Kontaktdaten einer Ansprechperson für nähere Auskünfte und
  • Datum der Inbetriebnahme des Echtbetriebs.

Die Dokumentation wird auf dem aktuellen Stand gehalten und steht dem Betriebsrat zur Verfügung (via Einrichtung eines Zugriffsrechts).

KI-Infrastruktur
 

Unternehmen und Betriebsrat sind sich einig, dass KI-Instrumente als Unterstützung der Arbeit in die bestehenden Arbeitssysteme integriert werden können und die Beschäftigten eine begleitende Qualifizierung für deren sinnvollen Gebrauch erhalten.

Daher werden Chatbots (wie z.B. ChatGPT, Gemini) oder vergleichbare Systeme an allen computerunterstützten Arbeitsplätzen zur Verfügung gestellt. Je nach Organisationsbereich kommen dafür auch auf Sachgebiete spezialisierte Chatbots in Betracht.

Um sicherzustellen, dass keine internen unternehmensbezogene Daten und keine mitarbeiterbezogene Daten nach außen gelangen oder als Trainingsmaterial der Anbieter verwendet werden, werden dafür Systeme ausgewählt, deren Installation im alleinigen Verantwortungsbereich des Unternehmens (on premise oder in einer private cloud des Unternehmens) erfolgt.


In Anwendungen integrierte KI-Elemente
 

Die Hersteller vor allem größerer Anwendungssysteme (Microsoft Copilot, SAP, Salesforce) integrieren in zunehmendem Maße KI-Elemente in ihre Systeme.

Um eine zu starke Abhängigkeit vom jeweiligen Anbieter zu vermeiden, wird das Unternehmen prüfen, in welchen Bereichen diese Angebote genutzt werden oder ob einer vom Unternehmen bestimmten einheitlichen Infrastruktur der Vorrang gewährt wird.


Pilotversuche und eigene Anwendungen
 

Neue Einsatzmöglichkeiten werden vorzugsweise in Pilotversuchen erprobt. Dabei werden Ziele, Erwartungen und Nutzen abgeschätzt und mit dem betroffenen Personenkreis kommuniziert. Dies betrifft auch die Auswahl des Einsatzbereichs und der Teilnehmer. Vor einer eventueller Roll-out-Entscheidung findet eine Feedbackrunde statt.


Information und Qualifizierung der Belegschaft
 

Viele Beschäftigte empfinden zurzeit eine große Verunsicherung. Es sind nicht nur die beunruhigenden Nachrichten über zu befürchtende Folgen der Künstlichen Intelligenz, die den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze und den Niedergang ganzer Branchen signalisieren. Es sind auch das von vielen Menschen als zu schnell empfundene Tempo der Veränderungen, die Verdichtung der Arbeit und der in vielen Tätigkeitsfeldern bisher nicht dagewesene Zeitdruck, das Hetzen von einem Termin, einer Besprechung in die nächste, oft ohne Pausen, ohne Herunterkommen und sich neu besinnen können.

Es liegt oft an Managementfehlern, wenn bei den Beschäftigten Angst vor der Zukunft ausgelöst und damit eine optimistische Haltung gegenüber der neuen Technik unmöglich gemacht wird. Allzu bereitwillig glaubten viele Manager den Versprechungen vor allem der großen Unternehmensberatungen über enorme Produktivitätsgewinne und Rationalisierungsvorteile und ließen dabei unberücksichtigt, dass es immer noch Menschen sind, die die Träger wesentlicher Teile der Produktivität sind. Sie haben der neuen Technik damit einen Bärendienst erwiesen.

Vor dem Hintergrund des hohen Änderungstempos der Technik hat eine gründliche Information und Qualifizierung der Beschäftigten einen besonderen Stellenwert.

Die Beschäftigten sollen einen realistischen Eindruck über Leistungen und Grenzen der KI-Technik erhalten und lernen, wie die Technik sinnvoll im Arbeitsleben genutzt werden kann. Insbesondere geht es darum, klarzustellen, dass die Systeme über keine eigene Wahrnehmung, kein eigenes Denken und eigenes Bewusstsein verfügen und nur Hilfsmittel für Menschen sind, die sie als Werkzeuge für ihre Arbeit nutzen können. Überzogene Erwartungen bezüglich immenser Produktivitätssteigerungen und Arbeitsplatzeinsparungen durch Automation sollen durch überprüfbare Betrachtungen ersetzt werden.

Information der Belegschaft
 

Das Unternehmen wird die Belegschaft über die Leistungen und Grenzen der KI-Technik und deren geplanten Einsatz informieren. Dazu bieten sich folgende Möglichkeiten an:

  • Veranstaltungen für die gesamte Belegschaft mit Darstellung der Funktionsweise der Technik und den aktuellen Einsatzplänen des Unternehmens (geeignete Formate: sog. town hall meetings oder Betriebsversammlungen, möglicherweise nach Einsatzbereichen des Unternehmens getrennt).
  • Vorstellung einzelner Projekte über den Einsatz spezieller Techniken oder Systeme (z.B. Chatbots oder deren Integration in andere Softwaresysteme)
  • Präsentation von Informationen, Bereitstellung von Material zum Selbststudium und Übungsaufgaben zur KI-Technik und aktuellen Projekten im Intranet des Unternehmens


Spezielle Trainings
 

Für die im Einsatz befindlichen Systeme wird allen Beschäftigten, die damit zu tun haben, ein auf ihren Anwendungsbereich zugeschnittenes Training angeboten. In dessen Vordergrund soll der Erwerb eigener Erfahrung im Umgang mit den Systemen stehen. Die Trainings sollen auch ermöglichen, die Grenzen der Leistungsfähigkeit solcher Systeme anhand praktischer Beispiele zu erfahren und den Beschäftigten eine kritische Sicht auf die Ergebnisse vor allem der Generativen Künstlichen Intelligenz vermitteln.

Für die Trainings werden geeignete Beispiele aus dem Arbeitsalltag der Schulungsteilnehmer für praktische Übungen ausgewählt. Die Trainings können in mehrere Folgen unterteilt werden und enthalten Feedback-Runden zu den zwischenzeitlichen Erfahrungen und liefern damit Impulse für Fortsetzungsveranstaltungen.

Wiederholte Trainings werden vor allem dann angeboten, wenn sich die Tecnhiken selber wesentlich verändert haben.

Insgesamt herrscht ziemliche Ratlosigkeit bezüglich der Schulungskonzepte. Es ist viel von Kompetenzerwerb die Rede, seltsamerweise ohne Blick auf die Inhalte. Es ist erforderlich, etwas gründlicher darüber nachzudenken, wie eine sinnvolle Qualifizierung organisiert werden kann.


Weiterbildungsangebote
 

Zu speziellen Themen der KI-Technik werden im Rahmen des unternehmensinternen Weiterbildungsprogramms Veranstaltungen in Form von Vorträgen und Workshops angeboten, die sowohl Aspekte der Technik selber als auch ihres möglichen sowie praktizierten Einsatzes im Unternehmen betreffen. Die Teilnahme ist freiwillig und steht allen interssierten Beschäftigten offen.


Unternehmenseigene Kompetenz
 

Um wachsende Abhängigkeiten von den Systemanbietern zu vermeiden ist es wichtig, dass das Unternehmen sich eine eigene Technik-Kompetenz aufbaut und erhält. Dazu werden mit Beschäftigten des Unternehmens eigene KI-Projekte im Rahmen klar definierter Zielsetzungen durchgeführt.

Unternehmen haben zurzeit (Sommer 2024) große Probleme, IT-Spezialisten mit KI-Kenntnissen zu finden. Viele Firmen sehen keine Alternative dazu, sich die Anwendungen „einzukaufen“ und gehen damit wachsende Abhängigkeiten von den Anbietern ein. Um eigene Kompetenz aufzubauen ist es erforderlich, das benötigte know how mit eigenen Mitarbeitenden selbst zu entwickeln. Dazu eignen sich hervorragend Pilotprojekte mit eigenem Personal, das sich durch externen Sachverstand unterstützen lassen kann. Außerdem kann auf diese Weise besser gewährleistet sein, dass eine enge Verbindung der IT mit den Geschäftsfeldern des Unternehmens aufgebaut und erhalten wird.


Beteiligung des Betriebsrats
 

Der KI-Technik wird das Potenzial zugesprochen, die Arbeitsverhältnisse grundsätzlich zu verändern. Deshalb erachten beide Seiten es für wichtig, dauerhaft in einem konsensorientierten Gespräch zu bleiben und verabreden dazu das folgende mehrstufige Verfahren:

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Einsatz von KI-Techniken zu Problemen führt. Davon kann insbesondere der Abbau von Arbeitsplätzen oder der Wegfall von Tätigkeiten in Organisationsbereichen des Unternehmens betroffen sein. Ebenfalls können sich beachtliche Veränderungen der Qualifikationsanforderungen ergeben. Es ist wichtig, solche Risiken frühzeitig zu erkennen. Nur dann lassen sich geeignete Lösungen entwickeln. Betriebsrat und Unternehmen müssen in einem dauerhaften Dialog bleiben.

Start des Beteiligungsverfahrens
 

Unmittelbar nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung treffen sich die Betriebsparteien in einem gemeinsamen Workshop. Dabei stellt die Unternehmensseite den Stand der aus Unternehmenssicht für relevant gehaltenen KI-Technik, bereits realisierte Projekte und Anwendungen sowie die Planung für die nächste Budgetperiode dar. Anschließend findet eine gemeinsame Beratung statt. Dabei werden unter anderem die Auswirkungen der Technik auf

  • Arbeitsplätze und Arbeitskräfteeinsatz,
  • Organisation und Gestaltung der Arbeit und
  • Anforderungen an die Mitarbeiterqualifikation und durchgeführte sowie für erforderlich gehaltene Qualifizierungsmaßnahmen

beraten. Der Workshop wird in der Regel jährlich sowie auf Wunsch einer Seite wiederholt.


Neue Projekte
 

Vor Einsatz eines Systems mit integrierten KI-Elementen sowie vor Inbetriebnahme neuer KI-Elemente in bereits eingesetzten Softwaresystemen und dem Start eigener KI-Projekte wird der Betriebsrat informiert. Auf seinen Wunsch findet eine Beratung statt.

Alle im Einsatz befindlichen KI-Systeme und -Projekte sind in einer Online-Dokumentation verzeichnet. Alle Betriebsratsmitglieder erhalten Zugriffsrechte für diese Dokumentation.


Initiativrecht des Betriebsrats
 

Macht der Betriebsrat geltend, dass die Grundsätze dieser Vereinbarung nicht eingehalten sind oder dass sich beim Betrieb eines KI-Systems bzw. der begleitenden organisatorischen Maßnahmen neuer Regelungsbedarf ergibt, so findet eine gemeinsame Beratung statt. Auf Wunsch des Betriebsrats wird über eine einvernehmliche Regelung verhandelt.


Konfliktregelung
 

Kommt in den Fällen, in denen diese Vereinbarung das Einvernehmen beider Seiten vorsieht, eine Einigung nicht zustande, so haben beide Seiten das Recht, eine gemäß §76 Ziffer 5 BetrVG zu bildende Einigunsstelle anzurufen. Diese entscheidet im Rahmen ihrer Zuständigkeit.


Schlussbestimmungen
 

Diese Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft.Sie kann mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden, frühestens jedoch zum 31.12.2025. Im Falle einer Kündigung wirkt sie nach bis zum Abschluss einer neuen Regelung.


Karl Schmitz August 2024