Chinas KI-Strategie

Während die USA laut durch die Weltgeschichte poltern, ist China auffallend leise unterwegs. Soft Power gegen Hard Power.

Die USA haben China im Herbst 2022 mit einer drastische Verschärfung der Exportkontrollen für Hochleistungs-KI-Chips, Chip-Entwurfstools und Fertigungsausrüstungen für Supercomputing belegt. Doch China gelang mit den Chatbots DeepSeek R1, Kimi K2 und weiteren KI-Produkten eine überraschende Antwort nach dem Motto Not macht erfinderisch.

Soft Power

Die chinesische Regierung hat mit massiver Unterstützung den Prozess gefördert, Open-Source-Technologien zu nutzen, mit der erklärten Absicht, inländische Innovationen voranzutreiben und Chinas Abhängigkeit vom Westen zu verringern.

Anstatt sich auf die Entwicklung leistungsstärkster Allzweckmodelle festzulegen, haben sich chinesische Firmen auf kleinere, effizientere Modelle konzentriert, die weitaus preisgünstiger herzustellen und zu trainieren sind. Sie werden zum Download angeboten.

Open AI hat angekündigt, dem chinesischen Modell folgen zu wollen. Man muss hier allerdings auf die feinen Unterschiede zwischen open source und open weights achten. Letzters bedeutet zwar, dass man das Modell herunterladen kann, aber nicht an den Code im Klartext herankommt, sondern nur die Trainingsparameter verändern kann. Das hat immerhin zwei Vorteile: Das System lässt sich lokal installieren, befindet sich dann nicht mehr in irgendeiner Cloud mit unklaren Zugriffsrechten, und man kann das Modell für bestimmte Aufgaben mit zusätzlichen eigenen Daten nachtrainieren (bei open source ist darüber hinaus auch der Code veränderbar).

Nach Aussage von Hugging Face, dem Chef von DeepSeek, wurden in der erste Hälfte des Jahres 2025 rund 500 spezielle Versionen des R1-Modells über zweieinhalb Millionen Mal heruntergeladen und weiter modifiziert. Der ganzen Welt - so der politische Anspruch - sollte die Möglichkeit geboten werden, KI-Systeme zu entwickeln, die an lokale Bedürfnisse anpassbar sind. China versprach sich davon einen überwältigenden Vorteil bei der Deckung der Nachfrage besonders in Entwicklungsländern, die die Vorteile der KI nutzen wollen. So konnte sich China als KI-Wohltäter für Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika, dem Nahen Osten und in der gesamten Entwicklungswelt positionieren (zit. nach Foreign Affairs, Chinas übersehene KI-Strategie, New York 25.7.2025).

Zum Beispiel könnte ein lokales Gesundheitsamt in einem Entwicklungsland ein offenes Modell verfeinern, indem es dieses mit Datensätzen lokaler Einrichtungen und Statistiken zusätzlich trainiert, um bessere medizinische Dienstleistungen anzubieten.

Hard Power

Ganz im Gegensatz dazu haben sich die Anbieter in den Vereinigten Staaten in erster Linie auf geschlossene KI-Modelle konzentriert. Sie erfordern mehr Rechenressourcen für das Training, sind für Benutzer hinter streng kontrollierten Schnittstellen verschlossen und in der Regel teurer in der Entwicklung. Sie sind nur in Abhängigkeit von den Anbietern lokal anpassbar (vgl. Microsoft Copilot). Die US-Unternehmen scheinen mehr Wert auf Spitzeninnovationen zu legen, einschließlich des Ziels, künstliche allgemeine Intelligenz zu schaffen, als auf die Entwicklung zuverlässiger Anwendungen für anpassungsfähige Modelle.

Hard Power setzt auf militärische Stärke, die Wahrung der wirtschaftlichen Dominanz und der Fähigkeit zum Einsatz von Gewalt zur Erreichung strategischer Ziele. Die weitgehend diesem Leitbild folgende Politik der USA läuft Gefahr, den Einfluss vor allem auf den globalen Süden zu verlieren.

US-Präsinden Donald Trump hat den Anspruch seines Landes auf die weltweite Führungsrolle in Sachen KI lautstark proklamiert. Doch seine Äußerungen vom Juli dieses Jahres über die Wertorientierung der amerikanischen KI-Politik sind geeignet, den Rest der Welt in ungläubiges Staunen zu versetzen. Die erratische Zollpolitik der USA ist - zumindest außerhalb der USA - nicht gerade vertrauensfördernd.

Fazit

Die USA setzen auf Dominanz, Abschottung und Abhängigkeit, China auf nutzbringende KI, auf deren Entwicklung und Weitergabe.

Mahnung des Council on Foreign Relations (CFR), dem Herausgeber der Zeitschrift Foreign Affairs: Wir müssen sicherstellen, dass Amerika über führende offene Modelle verfügt, die auf amerikanischen Werten basieren.

Moral und Politik? Man könnte sich auch damit begnügen, die Moral aus der Politik herauszulassen und sich auf die Vertretung seiner Interessen konzentrieren, nach fairen Regeln des Verhandelns in freiem Wettbewerb.

 

Karl Schmitz • August 2025