Grüße vom Milchmädchen

... oder wie man sich beim Outsourcing verrechnet.


So manches Outsourcing-Projekt erweist sich als Milchmädchen-Rechnung. Nicht nur die Qualität der ausgelagerten Dienste bleibt oft - allzu oft - hinter den propagierten Erwartungen zurück. Auch mit der vollmundig versprochenen Kostensenkung hapert es.

Das Shared Service Center in Prag sollte zum SAP-Vorzeigeprojekt werden. Man wollte den Glanz der eigenen Software und vor allem die Wirtschaftlichkeit solcher Auslagerungen eindrucksvoll zur Schau stellen. Das Handelsblatt vom 22.11.2006 meldet (Seite 12: Prager Projekt belastet SAP - ein ausgelagertes Service Center sollte die Stärke der eigenen Software belegen - doch es bereitet Ärger): Der Softwarekonzern findet nicht genug geeignete Mitarbeiter. Deshalb komme es zu erheblichen Verzögerungen bei der Bearbeitung der internen Aufträge - und natürlich zu einem erheblichen Imageschaden. Das Projekt werde sich nur schwer rechnen, ist laut Handelsblatt in Walldorf zu hören.

Bei SAP's Shared Service Center handelt es sich um die Reisekostenabrechnung für diverse Landesgesellschaften. Laut Blaupause der Consultants werden die entsprechenden Prozesse vereinheitlicht und dann im SAP-System abgebildet. Das Beispiel zeigt aber, wie schwer es ist, anspruchsvollere Sachbearbeitung in ein Billiglohnland auszulagern. "Die Vorstellung, in Prag Fachkräfte, die vier Sprachen sprechen, zu niedrigen Preisen zu bekommen, war vielleicht etwas überzogen. Am Ende reden wir hier über Akademiker, die auch in Prag mittlerweile ganz andere Jobs bekommen können", so zitiert das Handelsblatt eine SAP-Führungskraft. Außerdem sei die Fluktuationsrate bei dem eingesetzten Personal ziemlich hoch. Als Grund wird die durch den Erwerb der SAP-Kenntnisse gestiegene Attraktivität der betroffenen Personen auf dem dortigen Arbeitsmarkt genannt. Aber vielleicht haben diese Leute darüber hinaus auch keine allzu große Lust, tagein tagaus immer wieder dieselben gleichgeschalteten Arbeitsprozesse zu beackern ...

Den Unternehmen, die nicht den Modemeinungen der Consultant-Heerscharen gefolgt sind, bleibt ein profitabler Trost: Schon bald stehen sie wieder eindeutig besser da als die Ootsourcing-Willigen von heute: nämlich dann, wenn das Lohnniveau in den Nearsharing-Ländern angezogen hat und qualifizierte Arbeitskräfte dort keine Lust mehr haben, für seelenlos gewordene anonyme Services zu schuften und sich lieber andere Arbeitsplätze suchen, wo man sich wieder mit seinem Job identifizieren kann.

 

mehr über die dahinter steckende SAP-Software | Erfahrungen mit Outsourcing und Service Center-Projekten

 

  Karl Schmitz, November 2006