Das Benutzer-Interface

Wenn heute von benutzerfreundlicher Software die Rede ist, so scheint die grafische “Bedienungsoberfläche” oder “Benutzungsoberfläche” dabei ein unverzichtbarer Faktor zu sein. Schon vor der Entwicklung des legendären ALTO im Forschungslabor von Xerox gab es Rechner mit einer solchen grafischen Oberfläche. Die aus älteren Filmen bekannten Flugsicherungsrechner sind hierfür das beste Beispiel. Es handelte sich dabei aber immer um Systeme, bei denen die Darstellung grafischer Information unabdingbar durch die Aufgabe erzwungen wurde. Der - leider von Xerox nicht in wirtschaftlichen Erfolg umgesetzte - Durchbruch beim ALTO bestand jedoch gerade darin, eine grafische Darstellung unabhängig von den geplanten Anwendungen grundsätzlich einzusetzen, vor allem, um die Bedienung von Rechnern einfacher zu machen.

Die Firma Apple ist nachweislich nicht der Erfinder von Arbeitsplatzrechnern mit grafischen Oberflächen, wohl aber ist Apple diejenige Firma, die diese Rechner als erste ziemlich erfolgreich in großen Stückzahlen gebaut und vermarktet hat. Das Startkapital für die Entwicklung des Apple-Macintosh stammte aus dem kommerziellen Erfolg des Apple II in den Jahren 1977 bis 1983. Der Apple II war ein sehr konventioneller Personal Computer: Wie auch später bei den IBM-PC, mußten die Benutzer viele frustrierende Stunden damit verbringen, die Bedienung des Rechners überhaupt zu erlernen. Als IBM dann schließlich mit der Entwicklung des IBM-PC fertig war, stand der Macintosh als Nachfolger des Apple II kurz vor der Markteinführung. Nach der endgültigen Einstellung des ALTO-Projekts bei Xerox im Jahr 1979 hatte Steve Jobs, Mitgründer von Apple, viele Mitarbeiter des Xerox-Forschungslabors abgeworben, die dann bei Apple unter anderem den Macintosh-Rechner bauten.

Während IBM eher widerwillig in das PC-Geschäft eingestiegen war und die Workstation-Hersteller vor allem auf die im Vergleich zu den Großrechnern meilenweit überlegene Technologie setzten, bestand die Idee der Apple-Vordenker darin, Individuen anzusprechen. John Sculley berichtet:

Apple hatte die Identität seines Produkts, ganz im Einklang mit der Herkunft seiner Firmengründer aus der Gegenkultur der späten sechziger Jahre, zu lange in reiner Abgrenzung zu den "etablierten" Großrechnern und dem IBM-PC definiert und nicht durch positive Eigenschaften. Der erste große Markterfolg des Macintosh gründete sich auf eine unerhört freche Werbekampagne, die den individuellen Computer für den Einzelnen, der leicht zu bedienen war, als heroische Befreiungstat pries. Für Software-Entwickler dagegen, die versuchten, Programme für den Macintosh zu schreiben, war die Welt nach Einführung dieses Rechners 1984 bei weitem nicht so rosig. Die Schwierigkeiten in der Anfangszeit waren beträchtlich, und nachdem der erste Glanz verflogen war, brachen die Verkaufszahlen des Macintosh ein. Die versprochene Software brauchte länger als erwartet, und in der Phase der Stabilität nach der Revolution musste die Frage erlaubt sein, wozu eigentlich ein Einzelner einen Rechner brauche. Folgerichtig konzentrierte sich die Vermarktung des Macintosh dann kurzfristig auf die hervorragenden Möglichkeiten, grafische Daten bis hin zum Zeitungssatz zu verarbeiten.

Im Gegensatz zu den grafischen Workstations ist der Apple-Rechner hardware-technisch eher langweilig. Aber die entscheidende und unbestreitbare Leistung der Apple-Entwickler besteht in der Weiterentwicklung der Vision des persönlichen Computers zu einem Produkt, das aus vielen Einzelinnovationen zusammengesetzt war, die andernorts gemacht worden waren. Der Frage, was ein Einzelner eigentlich mit einem Rechner anstellen soll, begegnete Apple mit der Entwicklung der Netzwerkfähigkeit der Macintosh-Rechner. Im Gegensatz zur Konkurrenz brauchte für die Netzwerkfähigkeit des Macintosh kein zusätzlicher Preis bezahlt zu werden - das war das ganze Geheimnis. Ein Video-Spot aus dem Jahr 1992 behauptet immer noch kess, in der Zeit, die man zur Installation eines einzigen WINDOWS-PC brauche, habe man ein ganzes Macintosh-Netz aus 20 und mehr Rechnern so zusammengesteckt, dass es auch funktioniere.

Die Benutzungsoberfläche des Macintosh-Rechners konnte sich zwar nicht als einheitlicher Standard etablieren, galt aber vielen als unerreichtes Vorbild, hinter dem Microsofts WINDOWS doch deutlich zurückstand. Das Hauptziel bei der Entwicklung der grafischen Benutzungsoberfläche des Macintosh war, dass der Umgang mit dem Rechner leicht und schrittweise erlernbar sein soll, besonders für Benutzer, die keine vorherigen Erfahrungen mit Rechnern haben.

Rechner mit grafischem Benutzer-Interface verwenden Sinnbilder oder wirkliche Bilder zum Abspeichern und Wiederfinden von Begriffen. Kurioserweise soll das typische Bild, das man sieht, wenn man z.B. einen Macintosh-Rechner einschaltet, das Bild eines Schreibtisches aus der Vogelperspektive darstellen. Es ist leicht einsichtig, dass die wenigsten Menschen eine derartige Überladung ihres Schreibtisches mit materiellen Objekten tolerieren würden; aber für die symbolische Darstellung von "Objekten im Computer", die man sich ja anzeigen lassen kann oder auch nicht, und die man vor allem schnell und ohne Kraftaufwand wegräumen kann, schien diese Darstellung optimal.

Eine symbolische Darstellung von Dingen allein ist noch wenig nützlich; man will im allgemeinen mit den Dingen etwas tun. Die geniale Eigenschaft der Maus ist, dass das, was man mit ihr tut, direkt sinnlich erfahrbar ist: Der Zeiger auf dem Bildschirm bewegt sich genauso schnell und genauso weit wie die eigene Hand, die die Maus bewegt. Befindet sich dann der Zeiger in einem Sinnbild für ein Objekt, so kann man etwas mit diesem Objekt machen, man kann es durch einen Klick auf die Maus-Taste markieren, durch Festhalten dieser Taste über den Bildschirm bewegen, es dabei in den (symbolischen) Papierkorb werfen oder in einem (symbolischen) Ordner ablegen.

Das gleiche Prinzip ist konsequent bei den Anwendungsprogrammen durchgehalten, auch hier sind die Objekte nicht bloß durch ihre Namen ansprechbar, sondern erscheinen sinnbildlich auf dem Bildschirm, und man kann etwas mit ihnen machen. In Textverarbeitungssystemen wird der Bildschirmzeiger durch die Bewegung der Maus bewegt, mit einem Klick wird die aktuelle Bearbeitungsposition im Dokument auf die Zeigerposition gesetzt, mit zwei Klicks ein Wort markiert usw. Umständlich und anstrengend dagegen ist die “Blindflugsteuerung” älterer Computer durch Kommandos, die der Benutzer exakt eintippen muss, um dann anschließend vom Erfolg oder (meistens) Misserfolg seiner Aktion überrascht zu werden.

Bei der Steuerung des Computers durch direkte Aktionen hat der Benutzer jederzeit die Kontrolle über den Arbeitsablauf. Aus dem Angebot möglicher Aktionen, die man mit markierten Dingen tun kann, dem Menü, kann man dann, durch Auswahl des Symbols für die jeweilige Aktion, die gewünschte Tätigkeit durchführen. Die Liste der möglichen Operationen heißt nicht umsonst Menü. In diesem Menü wird jederzeit das angeboten, was möglich ist; die in einem bestimmten Zusammenhang nicht möglichen Operationen werden grafisch andersartig dargestellt und sind zwar sichtbar, aber nicht auslösbar. Die Bezeichnung "Menü" weist aber auch darauf hin, dass ein System so entworfen ist, dass es dem Benutzer die Möglichkeiten der Bedienung aufzeigt. Die Notwendigkeit des Auswendiglernens geheimnisvoller Kommandos oder Kürzel entfällt daher.

Es ist leicht, sich vorzustellen, dass verschiedene Programme Gemeinsamkeiten in ihrer Bedienung haben. Wenn man in einem Textverarbeitungsprogramm ein Wort markieren und dann löschen kann, so sollte man auf genau die gleiche Art und Weise ein Foto in einem Layout-Programm markieren und löschen können. Diese Art von Operationen, die es immer gibt, unabhängig vom Objekt, auf das sie wirken, kann man universelle Operationen nennen. Sinnvollerweise finden sich diese bei fast allen Programmen jeweils an derselben Stelle im Menü.

Letztlich spiegeln alle in einem Rechner gespeicherten Daten und alle dort ablaufenden Programme Fakten oder Prozesse der realen Welt wider. Entscheidend ist, dass Programmierer von Anwendungssystemen, die eine grafische Oberfläche haben, neue Symbole selbst definieren können. Hierbei kann es nicht darum gehen, das Aussehen der Dinge aus der realen Welt videospielartig möglichst naturgetreu auf dem Rechner abzubilden; wichtig ist vor allem die Design-Entscheidung, welche Symbole bzw. Objekte es überhaupt gibt und was man mit ihnen mit Hilfe des Rechners machen kann. Das, was in einem Arbeitsvorgang tatsächlich geschieht und was oft mit Worten nur kompliziert zu beschreiben ist, lässt sich symbolisch auf dem Bildschirm oft leichter abbilden, natürlich nur insoweit, als eine Unterstützung des Arbeitsvorganges durch Computer sinnvoll und auch wünschenswert ist.

Einleitung -Modellierung - Steuerbarkeit - Sichtbarkeit -Natürliche Symbole - Umgang mit Fehlern - Einfachheit - Intuitive Bedienung - Anpassbarkeit - Regelungen