Künstliche und natürliche Intelligenz

Die Künstliche Intelligenz war angetreten, die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachzubauen. Darunter fällt auch die Art, wie wir lernen. Schauen wir zunächst auf die Künstliche Intelligenz:

Das Prinzip

Die Basis der verbreiteten Systeme wie die Chatbots sind die großen Sprachmodelle (LLMs - Large Language Models) auf der Basis sogenannter Neuronaler Netze. Diese müssen mit sehr großen Datenmengen trainiert werden.

Die einverleibten Daten werden in eine computerverstehbare Form gebracht, deren Bedeutungen in Form von Beziehungen der Daten zueinander durch ein spezielles Training ermittelt werden. Wie im menschlichen Gehirn sind die künstlichen Neurone des Systems miteinander verbunden. Die Stärke dieser Verbindungen wird in abermillionen Trainingsstufen durch minimale Veränderungen der Verbindungsstärke ermittelt‚ bis Wörter oder Begriffe mit ähnlichen Bedeutungen in dem künstlichen mathematischen Raum nahe beeinander liegen.

Eine der beliebtesten Trainingsmethoden ist das Reinforcement Learning. Dabei besteht ein Teil der Trainingsdaten aus Aufgaben, deren „richtige“ Lösungen man kennt. Man setzt das Training so lange fort, bis die Antworten des Systems mit den bekannten Lösungen zufriedenstellend übereinstimmen.

Wenn man im Training von dem System zum Beispiel ausgewählte Fragen beantworten lässt, zu denen man richtige (oder akzeptable) Antworten kennt, kann man nach einem Trainingsdurchlauf feststellen, wie „gut“ die Antwort ist. Das ist dank der Wunderwaffe Mathematik ganz einfach. Die aktuellen Antworten des Systems und die bekannten richtigen Antworten werden durch Vektoren in einem Semantischen Raum dargestellt. Man misst den Abstand dieser Vektoren voneinander so lange, bis beide dicht genug beeinander sind. Dann kann das Training abgebrochen werden, und man kann das System auf Daten außerhalb der Trainingsdaten loslassen. Das System soll jetzt Aufgaben lösen können wie z.B.:

  • Wie ist die beste Übersetzung eines Satzes von einer Sprache in eine andere?
  • Wie lassen sich gesprochene Worte in Text unwandeln?
  • Was ist die beste Antwort auf eine beliebige Benutzerfrage?
  • Wie lautet die Prognose für das Wetter am Wochenende aufgrund der Suche nach wichtigen aktuellen Wetter-Informationen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Wind usw.) im Internet?
  • ......

Die Lösung‚ solcher oder ähnlicher Aufgaben ist das Ergebnis des Zusammenspiels von Mustererkennung, Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung. Das Erkennen von Mustern ist eine Stärke der Computer. Auf dieser Fähigkeit beruhten die großen Erfolge der KI-Systeme beim Schach- oder Go-Spiel. Gerade beim Go-Spiel konnte das System AlphaGo von DeepMind im Jahr 2016 mit Zügen überraschen, die noch kein Mensch je gespielt hatte.

Das Spiel mit Statistik und Wahrscheinlichkeit lässt sich beispielhaft am besten bei Übersetzungen erklären. Das System kennt keine Grammatikregeln. Es fragt einfach zum Beispiel: Was ist die wahrscheinlichste englische Formulierung eines deutschsprachigen Satzes? Dabei kann die Statistik bei diesem Ratespiel auf die ungeheuer große Datenmasse zugreifen, mit der das System trainiert wurde. Den Rest besorgt die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Je mehr Daten sie zur Verfügung hat, desto besser sind ihre Ergebnisse.

Die Idee der KI-Systeme ist nicht neu. Die erklärte Absicht, eine Maschine bauen zu wollen, die ähnlich arbeitet, wie unser Gehirn funktioniert, gibt es schon sei 1956. Entscheidend für den Durchbruch waren zwei Faktoren,

  • die enorm gestiegene Leistungsfühigkeit der Computer und
  • die Verfügbarkeit von noch nie gekannten Datenmassen (Big Data).

Grundsätzlich gilt: Ein KI-System kann nur das finden, was in den Daten steckt, Muster zum Beispiel, völlig unabhängig davon, ob je jemand diese Muster bisher erkannt hat.

Computer vs. Gehirn

Den KI-Systemen traut man alles Mögliche zu. Technik-Enthusiasten warnen uns vor der Superintelligenz, die alle unsere Fähigkeiten in den Schatten stellt. Schauen wir gehauer hin, was die wichtigsten Unterschiede sind.

Zunächst die „künstlichen Gehirne“ der KI-Systeme, zusammengefasst: Sie verstehen nur digital, verfügen über keine autonome Wahrnehmung, verstehen ihre Daten nicht, kennen keine Gefühle, haben nur ein statisches Gedächtnis,sind nicht kreativ und haben kein Bewusstsein. Ausführlichere Erklärung Pfeil rechtszeigen.

KI-Systeme

  • KI-Systeme können nur digital. Ihr oft als „Wissen“ bezeichnetes Datenmaterial muss ihnen in digitalisierte Form einverleibt werden, ebenfalls über digitale Wahrnehmungstechniken (Sensorik). Sie sehen die Welt nur über das innere Modell einer simulierten Welt.
  • KI-Systeme sowie Computer generell verfügen über keine autonome Wahrnehmung. Ihr Input kann zwar durch Algorithmen gesteuert werden, was nichts daran ändert, dass es ihnen „geliefert“ werden muss. Sie können sich ihr Wissen nicht von sich aus beschaffen.
  • KI-Systeme verstehen ihre Daten nicht. Sie können nur Korrelationen zwischen den Daten ermitteln, also die Häufigkeit und Stärke ihres gemeinsamen Vorkommens in den Datenmassen ihres „Gedächtnisses“. Uns wird dann Häufigkeit als Wichtigkeit präsentiert.
  • KI-Systeme verfügen über keine Emotionen. Man kann ihnen - ebenfalls per Mustererkennung - beibringen, bestimmte Erscheinungsformen (Mimiik, Akustik) als emotionale Ausdrucksformen zu bezeichnen, aber dies funktioniert nur, wenn sie in ihrem Training von Psychologen entsprechend trainiert wurden (die leibhaftigen Psychologen kann man dann in späterer Stufe durch psychologisch trainierte Spezialsysteme ersetzen).
  • Das „Gedächtnis“ der KI-Systeme ist statisch. Der Zeitpunkt ihres letzten Trainings bestimmt die Muster, die sie erkennen können. Man hat ihnen zwar inzwischen beigebracht, das Internet oder auch andere Quellen absuchen zu können, wenn es um neuere Informationen geht. Aber diese können nur im Rahmen der im Training gelernten Techniken bearbeitet werden. Die Bezeichnung „selbstlernende Systeme“ ist irreführend.
  • KI-Systeme sind nicht kreativ. Wie bereits erwähnt, können sie (in noch nicht ausgelotetem Ausmaß) bisher von Menschen nicht erkannte, aber in den Datenmassen verborgene Miúster erkennen (genauer: identifizieren). Sie können auch - zumindest theoretisch - unterschiedliche Muster in beliebiger Form kombinieren. Wenn man das, was dabei herauskommen kann, als kreativ bezeichnet, dann können Computer in diesem Sinne kreativ sein.
  • Last not least: Computer verfügen über kein Bewusstsein und auch keinen freien Willen. Sie können nur Aktionen simulieren, die von menschlichen Beobachtern als bewusst empfunden werden können.

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Davon unterscheiden sich die Leistungen des menschlichen Geistes sehr deutlich: Unsere Wahrnehmung ist analog und autonom, wir können empfinden, was wir wahrnehmen, haben Gefühle und ein dynamisches Gedächtnis. Wir haben die Fähigkeit zu echter Kreativität und - am wichtigsten - wir haben ein Bewusstsein. Ausführlichere Erklärung Pfeil rechtszeigen.

Gehirne

  • Die menschliche Wahrnehmung ist analog. Sie umfasst das gesamte Spektrum der Sinne, die uns zur Verfügung stehen.
  • Unsere Wahrnehmung verfügt über die Fähigkeit zur Autonomie. Wir können - wenn wir wollen - unsere Wahrnehmung auf bestimmte Dinge, Erscheinungen oder Vorgänge richten.
  • Wir können unsere Wahrnehmungen mit Empfindungen verbinden, die wir verstehen können.
  • Unsere Empfindungen sind mit Emotionen verbunden.
  • Unser Gedächtnis ist nicht statisch. Wir lernen hauptsächlich durch erleben und erfahren. Unsere Erinnerungen sind sowhl kognitiv als auch emotional „codiert“. Wir erleben unsere Welt interaktiv. Erinnern ist für uns ein situations- und kontextgebundener dynamischer Prozess.
  • Wir bilden uns ein, zu echter Kreativität fähig zu sein, wenn wir darunter verstehen, Dinge zu denken und zu empfinden, die nicht nur wir selber nie erdacht und erfunden haben, sondern möglicherweise sonst auch noch niemand. Oder wenn wir meinen, Assoziationen herstellen zu können, die völlig neu sind.
  • Last and least: Wir sind bewusste Wesen, die über ein Selbstbewusstsein verfügen. Wir gehen davon aus, dass wir ebenfalls über einen freien Willen verfügen.

Bei den augenfälligen Mensch-Computer-Unterschieden verdient der Begriff Wissen eine besondere Betrachtung. Man ist geneigt, das gesamte Vokabular des Trainings einer Künstlichen Intelligenz als ihr Wissen zu begreifen und den durch Mustererkennung produzierten Output mit unserem Prozess der Erinnerung gleichzusetzen. Wir müssen uns bewusst bleiben, dass das System buchstäblich nichts weiß und dass die durch uns vorgenommene Interpretation dessen, was ein solches System uns präsentiert, erst zu unserem Wissen werden kann.

Perspektiven

Die Bewusstseinsforschung hat bis heute nicht herausgefunden, wo im Gehirn aus Wahrnehmungen Empfindungen entstehen. So lange wird eine Künstliche Intelligenz auch nicht das Problem einer autonomen Wahrnehmung lösen. Es besteht vielmehr der begründete Verdacht, dass eine KI, die den Namen Intelligenz verdient, eine Form von Bewusstsein erfordert.

Dennoch richtet sich eine Hoffnung der Ingenieure darauf, Maschinen mit Bewusstsein bauen zu können. Dass dieses maschinelle Bewusstsein sich von unserem Bewusstsein stark unterscheiden kann, muss dabei in Kauf genommen werden. Immerhin weiß man, dass Empfindungen und vermutlich auch Bewusstsein nicht von Neuronen, Nerven und Gehirnen abhängig sein müssen. Dies legt insbesondere die neuere Forschung des Lebens der Pflanzen nahe. Doch Pflanzen sind halt Lebewesen. Bleibt die Frage: Braucht Bewusstsein Leben?

Die andere Hoffnung setzt auf die Verschmelzung unserer Gehirne mit der KI-Computertechnik, wie sie von Mustafa Suleyman, vormals DeepMind und Google, aktuell Executive Vice President und CEO von Microsoft AI oder Ray Kurzweil, bei Google als Director of Engineering, Principal Researcher und AI Visionary, mit relativ kurzfristigen Prognosen in Aussicht gestellt wird.

 

Karl Schmitz • Juli 2025