Vorbemerkung

Diese Vereinbarung aus dem Jahr 1991 betrifft ein Medienunternehmen mit zwei Betriebsstätten, einer Druckerei und einem Verlag - eine zu Beginn der 1990er Jahre noch verbreitete Situation. Der Schwerpunkt der Regelung liegt auf einer zügigen Modernisierung der Betriebe unter sog. „sozialverträglichen“ Bedingungen - die Betriebsräte nicht in der Rolle der Bedenkenträger, sondern als Gestalter der Technik. Die damals übliche Bezeichnung der Informationstechnik als EDV wurde im Text nicht korrigiert.


EDV-Rahmenbetriebsvereinbarung zur Informatik-Strategie

Präambel

Diese Betriebsvereinbarung regelt die Umsetzung der Informatik-Strategie vom ...1991. Betriebsrat und Geschäftsleitung stimmen darin überein, dass die Entwicklung und der Einsatz neuer EDV-Systeme vorrangig dem Ziel dienen sollen,

  • dem Leser eine aktuelle, informative, besser lesbare Zeitung zu liefern,
  • dem Anzeigenkunden eine preiswerte, seinen Wünschen entsprechende Gestaltung seines Auftrages zu gewährleisten,
  • dem Druckhaus eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Vorstufenlösung anzubieten,
  • die Mitarbeiter zu befähigen, diese qualitativen Ziele zu erreichen und
  • den Schutz der Persönlichkeitsrechte zu gewährleisten.

Im Zielkonflikt von qualitativer und quantitaver Veränderungen durch den EDV-Einsatz haben qualitative Verbesserungen Vorrang. Beide Seiten stimmen darin überein, dass die Umsetzung der EDV-Strategie integrierte Planungsprozesse betrifft, die die Technik, die Arbeitsorganisation und die Qualifizierung der Mitarbeiter umfassen müssen.

Grundsätze

Werkzeugcharakter der Systeme

Für jedes EDV-unterstützte Arbeitssystem sollen vorrangig vor systemgeführten Programmen benutzergeführte Programme eingesetzt werden. Unter benutzergeführten Programmen werden solche Programme verstanden, bei denen die Benutzer die Arbeitsvorgänge selber steuern und dabei jederzeit eine visuelle Kontrolle über den Arbeitsablauf haben.

Vorrangregel für Arbeitsplatzrechner

Da nach heutigem Stand der Technik nur die direkt am Arbeitsplatz verfügbare Rechnerleistung es erlaubt, Arbeitsabläufe symbolisch darzustellen oder grafisch zu simulieren, sollen vorrangig vor Zentralrechnerlösungen neue Arbeitssysteme durch vernetzte Arbeitsplatzrechner unterstützt werden. Deren Software muss auch von der Grafikfähigkeit der Hardware Gebrauch machen. Abweichungen von diesem Grundsatz bedürfen der Begründung.

Benutzerfreundliche Software

Neben der Funktionalität der Programme (Leistungsumfang) wird ihrer Benutzerfreundlichkeit ein hoher Stellenwert eingeräumt. Daher werden bei der Entwicklung neuer Programme oder bei der Auswahl von Standardsoftware die folgenden Kriterien beachtet:

  • hoher Selbsterklärungsgrad und leichte Erlernbarkeit,
  • einheitliche Struktur mindestens für die Grundbefehle und die Art der Handhabung,
  • jederzeitige Kontrolle der Arbeitsabläufe durch die Benutzer. Das System soll immer sagen, was geschieht oder unmittelbare visuelle Kontrolle bieten.
  • Das System soll die Aufdeckung und Korrigierbarkeit von Fehlern unterstützen.
  • Situative Hilfefunktionen sollen dem Benutzer in deutscher Sprache erklären, was er in der aktuellen Situation tun kann.
  • Gleichzeitige Benutzbarkeit mehrerer Programme und leichter Wechsel zwischen verschiedenen Programmmen.

Regeln für Netzwerke

Grundsätzlich sollen alle Rechner vernetzt werden; Ausnahmen bedürfen einer Begründung, die im Regelfall den späteren Standpunkt des Rechners im Netzwerk erläutern soll. Dabei sollen die Rechner eines zusammengehörenden und überschaubaren Arbeitsbereichs eine Einheit des unternehmensweiten Netzes bilden. Die Art der Verbindung, insbesondere die Weitergabe von Daten und der Zugriff von außen müssen gesteuert werden können und festlegbar sein.

Für Einheiten, in denen überwachungsgeeignete Daten verarbeitet werden, gelten zusätzlich folgende Regeln:

  • Örtliche Begrenzung: Daten mit hohem Detaillierungsgrad dürfen diese Einheit nicht verlassen; von "außen" wird kein Zugriff auf solche Daten eingeräumt.
  • Begrenzung der Lebensdauer: Es soll der Grundsatz gelten, dass mit Abschluss einer Arbeit die arbeitsbegleitenden Daten "verbraucht" werden und nur solche Daten gespeichert werden, die Arbeitsergebnisse beschreiben.
  • Summierungsregeln: Werden Daten über Arbeitsabläufe längerfristig gespeichert, so erfolgt dies nur in zusammengefasster oder summierter Form derart, dass der Personenbezug nicht mehr erkennbar sein soll.

Die überwachungsgeeigneten Daten müssen schützbar sein, so dass der Einsatz von Spontanauswertungsinstrumenten (Tabellenkalkulation, Datenbankabfragesprachen oder vergleichbare Werkzeuge) für solche Daten ausgeschlossen werden kann.

Überwachungsgeeignete Daten im Sinne dieser Vereinbarung sind Daten über Arbeitsabläufe oder sonstige Umstände der Arbeit, bei denen ein Bezug auf die Person oder feste Personengruppe hergestellt werden kann.

Die im Netzwerk verfügbaren Ressourcen (Peripheriegeräte und Programme) stehen grundsätzlich allen Benutzern zur Verfügung.

Personenbezug betrieblicher Daten

Detaillierte Daten über Arbeitsabläufe oder sonstige Umstände der Arbeit (verbrauchte Ressourcen) werden ohne Identifizierung der Arbeitnehmer im System erfasst und gespeichert.

Ausgenommen davon sind persönliche Kennzeichnungen, die nur der Kenntlichmachung von Ansprechpersonen oder Verantwortlichen dienen.

Werden personenbezogene oder überwachungsgeeignete Daten auf Rechnern gespeichert, die den Datenabgang nicht technisch kontrollieren können, so kann der Betriebsrat sein Einverständnis von der Erfüllung zusätzlicher Schutzmaßnahmen abhängig machen.

Organisation der Arbeit

EDV-unterstützte Arbeitssysteme sollen so entworfen werden, dass

  • Arbeit in ganzheitlichen und zusammengehörenden Einheiten organisiert wird,
  • dabei stark differenzierenden oder hierarchisierenden Arbeitsteilungen entgegengewirkt wird,
  • ein möglichst von den Beschäftigten selbstbestimmbarer Wechsel zwischen EDV-unterstützten und EDV-freien Tätigkeiten erfolgen kann (Mischarbeit) und
  • in den Arbeitsabläufen genügend soziale Kontakte erhalten bleiben.

Die in den elektronischen Systemen vergebenen Zugriffsrechte sollen die vorgenannten Kriterien erkennen lassen (wenige Grundmuster von Berechtigungen, keine starke individuelle Differenzierung).

Die Mischarbeit soll immer ausführende, planende, kontrollierende und mit Entscheidungen verbundene Tätigkeiten umfassen.

Qualifizierung der Mitarbeiter

Es besteht eine "Planungspflicht" für Qualifizierungsmaßnahmen, bei größeren Systemen werden sie in das Pflichtenheft aufgenommen.

Qualifizierungsmaßnahmen finden in zeitlich enger Kopplung an den Einführungstermin statt. Sie werden allen Betroffenen angeboten und umfassen in der Regel einen Grundkurs, bei komplexeren Systemen auch ein Angebot von Aufbaukursen oder Spezialisierungsmöglichkeiten für Interessierte im Rahmen der Aufgabenstellung ihres Arbeitsbereichs.

Während einer zeitlich festgelegten Einarbeitungsphase stehen Ansprechpersonen zur Verfügung; diese werden für die erforderliche Zeit von anderen Aufgaben freigestellt.

Nachschulungsmöglichkeiten können für Mitarbeiter nach einzelfallbezogener Regelung erfolgen.

In angemessener Zeit nach dem Einführungstermin findet für umfangreichere Systeme ein Erfahrungsaustausch der Anwender mit den Entwicklern statt; der zuständige Betriebsrat hat das Recht, sich an diesen Treffen zu beteiligen.

Beteiligung der Anwender am Entwicklungsprozess

Beide Seiten stimmen in der Beurteilung überein, dass eine frühzeitige Benutzerbeteiligung am Entwurf neuer Systeme erforderlich ist. Um dies zu ermöglichen, wird die Geschäftsführung nach geeigneten Methoden und Werkzeugen, z.B. Prototyping für Eigenentwicklung, suchen und diese anwenden.

Dies umfasst auch die Möglichkeit einer Beteiligung späterer Anwender an einer mit dem Entwurf des Systems oder mit der Softwareauswahl und -anpassung befassten Projektgruppe.

Die Betriebsräte haben das Recht, Vertreter in diese Projektgruppen zu entsenden.

Arbeitsplätze.

Beide Seiten stimmen in der Auffassung überein, dass die Technikentwicklung so gesteuert werden soll, dass es nicht zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. Sie werden darüber hinaus die Ziele verfolgen,

  • dass die durch den EDV-Einsatz in der Druckvorstufe berührten Arbeitsplätze im Druckhaus verbleiben und
  • bei Schaffung von Arbeitsplätzen im Verlag diese vorrangig Mitarbeitern aus dem Druckhaus angeboten werden, sollte es im Druckhaus zu Arbeitsplatzverlusten kommen.

Die in dieser Vereinbarung getroffenen Regelungen haben in diesem Zusammenhang die Funktion einer Früherkennung möglicher Probleme. Hat die Geschäftsführung Erkenntnisse, die auf ein Auftreten von Problemen für die soziale Sicherheit der Beschäftigten hindeuten, so ist sie verpflichtet, eine Beratung gemäß Abs. 1 der Verfahrensregelungen dieser Vereinbarung zu durchzuführen.

Verfahrensregelungen

Fortschreibung der Informatik-Strategie

Mit den Betriebsräten findet mindestens einmal jährlich oder auf Antrag einer Seite eine Beratung der Informatik-Strategie statt. Der Umfang dieser Beratung umfasst mindestens

  • eine Feststellung des Umsetzungssstandes der Informatik-Strategie,
  • eine Bewertung der bisher errreichten Ergebnisse,
  • eine Erörterung der Auswirkungen auf die Zahl und Qualität der Arbeitsplätze und Beschäftigungsverschiebungen sowie auf Entgelt und Qualifizierung,
  • eine Diskussion möglicher Veränderung der weiteren Entwicklungsperspektiven und Schwerpunkte.

Liste der Pilotprojekte

Es wird eine Liste geführt, in der fortlaufend alle im Rahmen der Informatik-Strategie durchgeführten Pilotprojekte aufgenommen werden. Pro Pilotprojekt werden festgehalten:

  • Bezeichnung des Pilotprojekts
  • kurze inhaltliche Beschreibung des Projektziels bzw. der Aufgabe
  • Beschreibung der technisch-organisatorischen Realisierung
  • Durchführung: wer - wo - wann?
  • Sind Auswirkungen auf die Beschäftigung zu erwarten?
  • Art der Anwenderbeteiligung an der Entwicklung
  • Termin für gemeinsame Bewertung der Ergebnisse/Erfahrungen
  • (später aufzunehmen:) Ergebnis der gemeinsamen Bewertung

Alle Pilotprojekte werden vor Beginn der Arbeiten in die Liste aufgenommen. Auch der Betriebsrat hat das Recht, Pilotprojekte vorzuschlagen.

Gemeinsame Bewertung der Pilot-Projekte

Für jedes Pilotprojekt findet zu dem in der Liste der Pilotprojekte verabredeten Zeitpunkt oder auf Antrag einer Seite eine Beratung mit dem DV-Ausschuss statt. Dabei erfolgt eine gemeinsame Bewertung des Projekterfolgs mit dem Ziel, Einvernehmen zu erzielen über

  • Umsetzung in ein Projekt bzw. Einführung als (Teil-) System,
  • Verlängerung als Pilotprojekt oder neues Pilotprojekt,
  • Abbruch oder Einstellung.

Kommt das Einvernehmen nicht zustande, so findet unter Berücksichtigung eventueller Alternativvorschläge eine erneute Beratung statt. Wird auch dann kein Einvernehmen erzielt, so wird nach § ... der Rahmenbetriebsvereinbarung verfahren.

Projekte/Neue Systeme

Wird ein Pilotprojekt zu einem Projekt, oder soll ohne vorheriges Pilotprojekt ein Projekt durchgeführt bzw. ein EDV-System eingeführt werden, so prüfen beide Seiten, ob die Grundsätze dieser Vereinbarung eingehalten sind.

Werden seitens der Betriebsräte Abweichungen von den in dieser Vereinbarung festgelegten Grundsätzen geltend gemacht, so wird gemäß § ... der Rahmenbetriebsvereinbarung verfahren. Dabei können die Betriebsräte die Vorlage einer projektbezogenen vorausschauenden Personalplanung verlangen.

  Karl Schmitz • Mai 2003