Warum dieser Beitrag?
Es geht um Dogmen, Glaubenssätze und wie sie den Pfad der Erkenntnis leiten und behindern können.Und wenn auch eine sogenannte exakte Naturwissenschaft sich dieser Dynamik nicht entziehen kann, wie sieht es dann aus, wenn sich Wissenschaft, Geschäft und Politik zu einem schier unentwirrbaren Knäuel verknoten - wie beispielsweise bei der Künstlichen Intelligenz?
Physik
Physik ist eine faszinierende Wissenschaft. Nichts anderes führt uns so gründlich an die Grenzen unseres Wissen-Könnens, sei es dass wir ganz tief nach unten schauen, zu den Bausteinen der Materie oder ganz nach draußen an die Grenzen des Universums.
Ganz unten müssen wir feststellen, dass da offensichtlich gar nichts mehr ist. Wir können uns behelfen, wenn wir dieses Nichts Information oder Struktur nennen. Keiner hat die vielen Elementarteilchen je gesehen. Nachgewiesen wurden sie nur aufgrund der Wirkung von Elementen eines mathematischen Modells - das fing mit der Spur des Elektrons in der Nebelkammer an.
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Elementarteilchen-Zirkus
Da tummeln sich unterhalb der Atom-Ebene erst einmal die Quarks herum, vier verschiedene an der Zahl, unterteilt in Leptonen zuständig für die Masse und Bosonen zuständig für die Kraftwirkung, beide Teilchen-Gruppen wieder unterteilt in mehrere Unterarten. Nur das Graviton fehlt noch in der Sammlung, ärgerlich, aber dieses Loch wird mit der String-Theorie gestopft. In einer Art akademischem Kamingespräch hat einer meiner geschätzten Theoretische Physik-Professoren die ketzerische Meinung geäußert: Vielleicht gibt es diese Teilchen alle nicht. Das Isomorphiepostulat (unterstellt die Übereinstimmung von Mathematik und Realität) - aber es gibt keine Erfolgsgarantie, wenn man von einem mathematischen Modell auf die Wirklichkeit schließt.
Der Blick nach ganz oben gestaltet sich noch viel dramatischer und führt uns über einen langen Leidensweg, vom Ptolemäischen Weltbild mit der Erde im Mittelpunkt durch den zwei Jahrhunderte langen Leidensweg der Kopernikaner, bis es endlich Isaac Newton vergönnt war, die Sonne in den Mittelpunkt stellen zu dürfen.
Die religiöse Dogmatik, die immer einen Weg fand, der fortschreitenden Erkenntnis ein paar dicke Wackersteine in den Weg zu schmeißen, war aber nicht mit der Feststellung zu Ende, dass der Zauber der Fixsterne nicht Gottes himmlicher Glanz war, der durch kleine Löcher in der äußersten Sphäre des alten Weltbildes hindurchschimmerte. Der Reigen dogmatischer Erkenntnisbehinderung ging lustig weiter.
Die Kosmologie des zwanzigsten Jahrhunderts hatte mit zwei unterschiedlichen Glaubenssätzen zu tun:
- Da war die westliche Welt, die von einem geschlossenen endlichen Raum-Zeit-Modell ausging, das durch den Urknall aus dem Nichts entstanden war und dem
- hauptsächlich von sowjetischen Wissenschaftlern vertretene Auffassung eines Weltraums mit einer in Richtung Unendlichkeit offenen hyperbolischen Geometrie.
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Inflation
Es gibt ein paar Ungereimtheiten in der Big-Bang-Theorie, die man nicht schnell aufzählen kann. Sie lassen sich aber mit Annahme einer kurzen sogenannten Inflationsphase nach dem Urknall wegräumen. „Kurz“ heißt in diesem Fall 10-34 Sekunden lang. In dieser superkurzen Zeit soll sich das neu entstandene Universum um den Faktor 1026 ausgedehnt haben. Das ist das 100-Trillionenfache seines ersten Erscheinens. Ist nicht so schlimm, wie diese Zahl mit 26 Nullen suggeriert: Es wäre etwa so, wie wenn der Raum für ein klitzekleines Proton auf einen Kubikmeter ausdehnt würde.

Das junge Universum soll nach dieser Theorie aus einem einzigen Quantenfluktuationsbereich entstanden sein. Diese Fluktuation muss es wegen der Heisenbergschen Unschärferelation geben, derzufolge Energie und Zeit nicht gleichzeitig exakt bestimmbar sind. Hiernach entstehen immer wieder spontan für ganz kurze Zeit virtuelle Paare aus Teilchen und Antiteilchen und sorgen so dafür, dass das Vakuum nie wirklich leer ist.
Anekdote am Rande: Der Erfinder der Urknall-Theorie war ein belgischer Wissenschaftler namens Lemaitre und gleichzeitig ein Priester, der aber das Priesteramt nie ausführte, sondern nur an katholischen Hochschulen unterrichtete. Papst Pius XII nahm 1951 die Urknall-Theorie zum Anlass, sie als Beweis für den göttlichen Schöpfungsakt zu proklamieren. Lemaitre protestierte.
Das geschlossene Modell brauchte die durch Gravitation bewirkte Raumkrümmung, die so stark sein muss, dass der Weltraum sich in sich selbst krümmt und sich nicht in die Unendlichkeit verabschieben kann. Leider leider war die Dichte der leuchtenden Materie aber um den Faktor 100 zu niedrig, um die erforderliche starke Raumkrümmung zustande zu bringen.
Und nun beginnt die abenteuerliche Achterbahnfahrt. Die Kosmologen heute, dreiviertel Jahrhundert später, sehen dass überwiegend so:
- bescheidene 0.5 bis 1 Prozent der Materie des Universums sind leuchtende Materie, die wir in Form von Sternen und Galaxien beobachten können,
- ein Prozent soll sich in intergalaktischem Staub verstecken,
- weitere vier Prozent als Gas, davon rund drei Vierlel Wasserstoff, ein Viertel Helium und die restlichen Elemente nur ganz ganz wenig, alle zusammen unter zwei Prozent des intergalaktischen Gases,
- und jetzt wird es spannend, weil das immer noch nicht reicht, 37 Prozent des Universums sollen dunkle Materie sein, deren Elementarteilchen immer noch gesucht wird,
- und - Sie lesen richtig - 68 Prozent sollen dunkle Energie sein, Vakuum-Energie sozusagen, die gegen die Gravitation wirkt und verantwortlich sein soll für die mit der Entfernung zunehmende Expansionsgeschwindigkeit des Universums.
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Dunkle Energie
Nach dem Standardmodell der Teilchenphysik soll ein Higgs-Teilchen immer dann entstehen, wenn das sog. Higgs-Feld angeregt wird. Seine Existienz wurde als superkleiner Effekt mit allerlei statistischem Aufwand aus millionenfach stärkeren Störfaktoren herausgerechnet und gilt als Beweis für die Existenz eines besonderen Kraftfeldes, des Higgs-Feldes, das allen Teilchen erst Masse verleiht und gleichförmig das gesamte Universum, auch das Vakuum, durchdringt.
Folgt man den Vertretern dieser Theorie, so steckt hier über zwei Drittel der gesamten Energie des Universums. Wie gesagt, wenn man dieser Theorie folgt.
Das aus dem Nichts entstandene Universum ist also aus einem Nichts entstanden, das nicht nichts ist, ein Nachdenken über ein Neues Nichts, jenseits von Martin Heideggers Philosophie: „Das Nichts nichtet“ (1929, Was ist Metaphysik?).
Bange Frage: Kann man es den Esoterikern und ihnen nahe stehenden Autoren noch verübeln, wenn sie sich an der Quantenphysik bedienen, um ihre Ideen wissenschftlich zu bemänteln?
Dogmatische Irrwege
Das erinnert stark an die intellektuellen Glimmzüge der Spät-Ptolemäer, um ihre Theorie der geozentrischen Planeten-Kreisbewegungen zu retten. Sie ließen die Planeten sich um kleine Kreise ihres eigentlichen Mittelpunks, sogenannte Epizykel, bewegen, die ihrerseits auf einem großen Kreis, dem sog. Deferenten laufen. Doch damit nicht genug, sie mussten die Erde ein bisschen von ihrem Mittelpunkt weg auf einen sog.Excenter verschieben, um dann noch mit einem weiteren mathematischen Trick einen sog. Äquanten einzuführen - das alles um die vom Glaubenssatz gebotene, dem Ideal der vollkommenen Kreisbewegung folgende Planetenbewegung wenigstens in einem theoretischen Modell aufrecht zu erhalten. Jetzt war es dann endlich möglich, die seltsamen, manchmal ihre Richtung ändernden Planetenbewegungen mit ihrer unterschiedlichen Geschwindigkeit und wechselnden Helligkeit beschreiben zu können. Fast zwei Jahrhunderte brauchte es, bis die Erde aus dem Mittelpunkt der Welt vertrieben war.
Fred Hoyle, ein britischer Astrophysiker, widersprach seinerzeit in den 1960er Jahren, mit seiner steady state-Theorie der Vorstellung, das Universum sei aus einer Urknall-Singularität entstanden. Die damals herrschende Meinung unter den Top-Physikern drohte ihm nicht mit Scheiterhaufen oder Folter, sondern bestrafte ihn nur mit Nicht-Beachtung. Heutzutage findet man seinen Namen wieder in Fachaufsätzen, in denen die Urknall-Entstehung des Universums mit skeptischen Fragen bedacht wird.
Und die Künstliche Intelligenz?
Die Befürchtung, aus der Geschichte nicht zu lernen, richtet sich beim Blick auf das derzeitige Weltgeschehen nicht nur auf die Politiker. Wissenschaftler sind ebenfalls nicht frei davon, zumal wenn sich ihre Ideen mit Ambitionen für das Big Business durchmischen.
Die Phantasien von einer Superintelligenz setzen Systeme mit der Fähigkeit autonomer Entscheidung voraus, was man schwer ohne Annahme irgeneiner Form von Bewusstsein denken kann. Man darf es als fragwürdig ansehen, dass aus immer größerer Komplexität irgendwann ein Bewusstsein entsteht, nur weil kluge Neurologen aus der Komplexitätseigenschaft der Gehirnströme ein Maß für Bewusstheit entwickelt haben (Näheres hier unter Bewusstsein). Komplexität kann durchaus als eine Folge von Bewusstsein auftreten, aber auch als ihre Ursache?
Mit den Beiträgen dieser Internet-Platform, insbesondere der Rubrik über Künstliche Intelligenz, möchte ich den vielen sich in diesem spannenden Umfeld herumtummelnden Schustern gerne zurufen: bleibt bei euren Leisten.
Die bisherige Wissenschaftsgeschichte hat immer noch gezeigt, dass die einfachen Ideen die besten waren.