Am 17. November 2023 verkündete das board of directors (alias Vorstand) von OpenAI den Rauswurf ihres Strahlemann-Chefs Sam Altman. Der Vorwurf: Er sei „not consistently candid“ in seiner Kommunikation mit dem Board, vornehm übersetzt: seine Kommunikation war nicht durchgehend offen . Worum geht es wirklich?
„Ein harter Konkurrenzkampf und ein wachsender Druck auf der Suche nach immer mehr Finanzmitteln haben die Gründungsideale von Transparenz, Offenheit und Zusammenarbeit untergraben“,
so nachzulesen bei Heise Online am 23.11.2023.
Man sah schnell: es braucht viel Geld für die enormen Ressourcen, die die Entwicklung erfordert. Der Erfolg des Modells GPT-2 aus dem Jahr 2019 wurde noch für zu gefährlich gehalten, um veröffentlicht zu werden. Zu groß schien damals den Entwicklern die Gefahr des Missbrauchs. Das sollte sich ändern.
Neben dem gemeinnützigen Verein wurde eine profitorientierte Einheit, OpenAI LP als sog. Capped-Profit-Organization gegründet, die in weiser Voraussicht auf das kommende Geschäft von Microsoft mit einer Milliarde Dollar gesponsert wurde, die Hälfte davon schon damals in Form von Rechenzeit aus der Microsoft-Cloud Azure. Aber immer noch galt: Die Systeme sollten sicher sein, „menschliche Werte“ widerspiegeln, die Logik hinter ihren Entscheidungen erklären und lernen können, ohne dabei Menschen zu schaden.
Man hielt an den hehren Zielen fest, doch der Druck auf die Kommerzialisierung verstärkte sich. Um die Forschung weiter zu betreiben, brauchte man deutlich mehr Geld. Und man wollte Erster sein im Rennen um die Künstliche Allgemeine Intelligenz. Man setzte weniger auf superkluge Algorithnen, mehr auf brutale Rechenleistung für die Trainings der Systeme. Microsoft hat inzwischen weitere zehn Milliarden Dollar in OpenAI investiert. Diese Zampano-Leistung der Geldbeschaffung war zweifelsohne das Verdienst von Sam Altmann, bezahlt mit der wachsenden Abhängigkeit vom Hauptgeldgeber.
Der Vorwurf: Geheimniskrämerei hinter verschlossenen Türen, Gefahr für die Gründungsideale, zunehmender Kommerzialisierungsdruck. Kurzer Prozess, am 17. November 2013 verkündete das Board:
Sam Altman will depart as CEO and leave the board of directors. Mira Murati, the company’s chief technology officer, will serve as interim CEO, effective immediately.
Sam Altman scheidet als CEO und aus dem Vorstand aus. Mira Murati, Chief Technology Officer des Unternehmens, wird mit sofortiger Wirkung als Interims-CEO fungieren.
Mira Murati, seit einem Jahr davor schon Chief Technology Officer des Unternehmens, waren nur wenige Tage ihrer Regentschaft vergönnt.
Nun folgt eine drehbuchreife Rally: Sam Altman, bei OpenAI am Freitag (17.11.2023) rausgeworfen, war sofort durch die Microsoft-Drehtür verschwunden, mit ihm ein weiteres Gründungsmitglied der Firma (Greg Brockman).
Montag drauf (20.11.2013) haben 700 von 770 OpenAI-Mitarbeitenden einen Offenen Brief an ihr Board unterzeichnet , dem Unfähigkeit vorgeworfen und mit ihrer Kündigung und dem Wechsel zu Microsoft gedroht.
Microsoft-Chef Nadella hatte schnell geschaltet und allen OpenAI-Mitarbeitenden eine Übernahme in Aussicht gestellt, wenn das gefeuerte Spitzen-Duo nicht sofort wieder zurückgeholt werde. Und der Verwaltungsrat der Firma solle auch gleich den Hut nehmen. Scheinheilig heißt es in dem Brief „Wir wollen nicht für oder mit Leuten arbeiten, denen es an Kompetenz, Urteilsvermögen und Leidenschaft für unsere Mission und unser Team mangelt“.
Wir riskieren einen spekulativen Blick auf die Motivlage derwechselwilligen Beschäftigten. Sie haben sich bestimmt gefragt:
Machen wir es kurz, das Spektakel endet schon wenige Tage später, nach dem Besuch von Sam Altman bei Microsoft-Chef Nadella, am 24.11.2023. Er ist wieder da. In der message from Sam to the company vom 29.11.2023 heißt es I am returning to OpenAI as CEO.
Vorstand und Verwaltungsrat werden gleich mit umgebaut, ein paar kritische Geister müssen gehen. Mira darf Entwicklungschefin bleiben. Und kein Groll gegen das aus dem Board rausgeflogene Gründungsmitglied Ilya Sutskever, der bei der Demission Altmans kräftig mitgewirkt und dies tags drauf bereits genau so kräftig bereut hatte. Tasha McCauley und Helen Toner, die Verwaltungsrats-Mitglieder mit dem strengeren Blick auf Sicherheit und Ethik, erhalten wie es sich gehört ein verbalkräftiges Dankeschön, aber,leider müssen sie gehen. Ein paar weitere Personal-Rochaden, und alles sieht wieder so aus, als sei nichts gewesen.
Wie geht es weiter? Etwas ungebremster, natürlich. Machtkampf entschieden. Microsoft hat einen Platz im Verwaltungsrat, aber ohne Stimmrecht, ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt. Microsoft-Chef Nadella meint, er brauche mehr Stabilität und Verlässlichkeit. Schließlich stecken schon 13 Microsoft-Milliarden in der Firma. Und die OpenAI-Produkte sind schon jetzt in großen Teilen der Software-Palette (v.a. Office-Tools, Teams und Suchmaschine Bing) eingebaut.
Das Modell einer profitorientierten Firma mit einer gemeinwohlorientierten Aufsicht ist gescheitert. Die Investoren, die unbedingt an Sam Altman festhalten wollten, haben sich als mächtiger erwiesen. Man darf wohl eine gewissen Entfremdung zwischen den kommerziellen und den gemeinwohlorientierten Akteuren bei OpenAI konstatieren. Gewonnen haben diejenigen, die möglichst schnell neue Produkte auf den Markt bringen wollen vor denen, die für Behutsamkeit einstanden.
Top-Gewinner ist Microsoft. Die Nutzung der OpenAI-Modelle ist exklusiv an Microsofts Azure-Cloud gebunden. Umgekehrt gilt das nicht. Die Abhängigkeit ist einseitig. Auf die sympathische Unschuld einer dem Fortschritt für die Menschheit verschriebenen company folgt ihr Kotau vor Big Money.
OpenAI's Glanz ist verblasst. Die seltsame Konstruktion als Symbiose einer non profit open source company, der die Rechte an den entwickelten Produkten gehörten, ohne Sitz und Stimme der Investoren und einer gewinngedeckelten profit company mit Beteiligung der 13 Milliarden Dollar schweren Investoren ist history. Transparenz und open source sind vorbei. Modelle und Konzepte sind geheim. Die Parole jetzt: Business First - oder vielleicht schon Business Only?
Die Begeisterung ist dahin. Ich wage die Prognose: Auch die Zukunft von OpenAI begibt sich auf den Sinkflug. Die Firma wird schnell an Bedeutung verlieren. Andere Unternehmen werden aufholen. Und man darf Google und Apple nicht vergessen.
Nachtrag: Inzwischen sind wir eine Runde weiter - Machtkampf mission completed.
Karl Schmitz, Januar 2024 |