Auswirkungen von Internet- und Intranet-Techniken auf die Beschäftigung

Stand Oktober 1997

 

Internet-Anschluss als internes Arbeitsmittel der Informationsbeschaffung

Situation: Für einzelne Berufsgruppen und spezielle Abteilungen (z.B.Einkauf, Marketing, Dokumentation, Forschung & Entwicklung) stellt der Internet-Zugang eine Erweiterung der Arbeitsmittel zur Informationsbeschaffung dar, das bisherige Arbeitsmittel nicht verdrängen, sondern ergänzen wird und mit wachsender Präsenz der Firmen im Internet schnell an Bedeutung gewinnen kann. Wer aus dem betroffenen Personenkreis auf dieses Arbeitsmittel verzichtet, dem fehlt schon in näherer Zukunft ein wichtiges Medium der Informationsbeschaffung.

Konsequenzen: Der Betriebsrat sollte die Ausstattung des gesamten in Frage kommenden Personenkreises mit dem Arbeitsmittel Internet-Zugang unterstützen bzw. fordern. Dabei ist darauf zu achten, daß nicht bestimmte Personenkreise privilegiert bedacht werden (Gleichheitsgrundsatz). Darüber hinaus sollte man sich um begleitende Qualifizierungsmaßnahmen und zusätzliche Hilfsmittel bemühen (z.B. ein auf die Belange der Arbeit zugeschnittenes Bookmark-System); ein entsprechendes Qualifizierungskonzept sollte erarbeitet werden.

 

Internet und Außenkontakte der Firmen

Situation: Die Internet-Nutzung wird die Beziehungen eines Unternehmens sowohl zu seinen Lieferanten als auch zu seinen Kunden verändern. Voraussetzung ist die fortgeschrittene Verbreitung des Mediums. Bei den Kunden muß unterschieden werden, ob es sich um Individuen als Endverbraucher oder um Firmen handelt, denn Firmen werden schneller über das neue Arbeitsmittel verfügen als Individuen. Alle Informationsverarbeitungsprozesse in der "logistischen Kette" sind rationalisierungsbedroht, denn waren- oder dienstleistungsbegleitende Informationen werden tendenziell nur noch einmal - bei ihrem ersten Auftauchen - erhoben und nicht, wie bisher üblich, mehrfach. Ein Teil der Arbeit, z.B. Bestellung von Waren, kann zu den Kunden verschoben werden, durchaus vergleichbar den Rationalisierungseffekten, die durch die Einführung der Selbstbedienung im Einzelhandel erzielt wurden.

Konsequenzen: Die in einem Unternehmen von den beschriebenen Effekten betroffenen Beschäftigtengruppen müssen festgestellt werden. Aufgabe einer vorausschauenden Personalplanung ist es, rechtzeitig nach anderen Einsatzmöglichkeiten zu suchen. Erfolgversprechend sind neue arbeitsorganisatorische Konzepte, bei denen die noch vorhandenen, aber durch die anstehende Internet-Nutzung rationalisierungsbedrohten Tätigkeiten mit anderen Sachbearbeitungstätigkeiten gemischt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, daß die selber im Internet tätigen Firmen sich eine eigene Kompetenz zur Gestaltung dieses Geschäftes aufbauen und erhalten; hiervon sind zum Teil neue Berufsbilder betroffen, deren Konkretisierung noch aussteht.

Probleme: Ein Verzicht auf die geforderte vorausschauenede Personalplanung kann das betroffene Unternehmen plötzlich vor Personaleinsatzprobleme stellen, die dann nicht mehr ohne Entlassungskündigungen bewältigt werden.

Ein Verzicht auf eine eigene Internet-Kompetenz läßt die Unternehmen die strategische (oder ihr Kerngeschäft betreffende) Bedeutung dieser Technik nicht nutzen (Es ist dann wie mit dem Restaurant, das seinen Koch mieten muß).

 

Intranet-Lösungen

Situation: Die Übertragung von Internet-Ideen auf den unternehmensinternen Computereinsatz wird die derzeitigen Client-/Server-Konzepte stark verändern und möglicherweise sogar ablösen. Die Vorteile liegen in einer besseren Unterstützung von Kommunikations- und Informationsprozessen, einer horizontalisierenden und enthierarchisierenden Wirkung auf die Arbeitsorganisation und die Arbeitsbeziehungen und einer besseren Benutzbarkeit durch eine einheitliche, selbsterklärende und leicht erlernbare Benutzungsschnittstelle. Solche Intranet-Lösungen werden oft zunächst nur als kleine, später wachsende Insellösungen oder als Vorschaltsysteme zu großen Anwendungssystemen (z.B. SAP) geplant, noch selten als komplette Anwendungen (Die Techniken sind für die meisten Unternehmen noch zu neu). Einsatzgebiete sind einerseits alle das Kerngeschäft berührenden Bereiche (mission critical applications), andererseits alle strategisch wichtigen Bereiche (z.B. die Gestaltung der Kundenbeziehung).

Konsequenzen: Entsprechende Konzepte sollten von den Betriebsräten unbedingt unterstützt und zeitlich befördert werden. Rechtlich kann man sich auf den Standpunkt setzen, daß neben § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG die Paragraphen 111, 87.1.4 und 87.1.10/11 berührt sind. Vorzuziehen ist aber die Vereinbarung regelmäßiger Beratungsgespräche, die die längerfristige Investitionsstrategie des Unternehmens und die gemeinsame Bewertung der Auswirkungen für Arbeitskräfteeinsatz, Arbeitsbedingungen, Qualifizierung und Bezahlung zum Gegenstand haben.
Für das Unternehmen ist es wichtig, eine Kernkompetenz auf dem Sektor der Intranet-Techniken zu erhalten bzw. aufzubauen und nicht den gesamten Bereich per Outsourcing abzugeben bzw. von vorneherein nur als externe Dienstleistung zu organisieren.
Da die neuen Techniken andere Formen der Systementwicklung erlauben, sollten die Betriebsräte Beteiligungsformen der späteren Benutzer an der Konzeption und einer prototyp-orientierten Entwicklung neuer Anwendungen fordern und vereinbaren.

 

Enthierarchisierung der Arbeitsbeziehungen

Situation: Das Verfügen über und das Verteilen von Informationen wird in Zukunft keine betrieblichen Hierarchien mehr begründen, sondern es werden die Arbeitsmittel zur Verfügung stehen, die es an jedem computerunterstütztem Arbeitsplatz erlauben, die dort benötigte Information direkt zu beschaffen (Wer etwas wissen muß, braucht dafür nicht mehr seinen Vorgesetzten). Dadurch werden Arbeitsformen nach dem Modell einer teilautonomen Gruppe begünstigt. Die Einführungsmöglichkeiten für Gruppenarbeit im Sinne solcher teilautonomen Gruppen mit einem hohen Anteil an Selbstregulierung interner und teilweise auch gruppenexterner Prozesse werden zunehmen. Die Betriebsräte sollten diese Prozesse ebenfalls unterstützen.

Konsequenzen:

Für eine Großzahl mittlerer Führungskräfte ist eine Übergangslösung von ihren derzeitigen Vorgesetzten-Tätigkeiten zu neuen Tätigkeiten zu entwickeln und umzusetzen. Bei diesen neuen Tätigkeiten werden vermutlich koordinierende und motivierende Aktivitäten im Vordergrund stehen.
Regelmäßige Beratung der genannten Punkte.

Probleme: Überflüssig werdende an die Betriebshierarchie gebundene Funktionen können nicht von heute auf morgen gestrichen werden. Vor allem für die unteren und mittleren Führungskräfte müssen längerfristige Übergangsregelungen gefunden werden, vorzugsweise in Verbindung mit Qualifizierungsprogrammen, in denen auf die neuen Aufgaben vorbereitet wird.

 

Fortschreitende Entkopplung von Arbeit und Arbeitsplatz

Situation: Internet-Techniken in Verbindung mit der Einbeziehung mobiler Rechner in das Computersystem des Unternehmens erleichtern die Entkopplung vieler Arbeiten vom Arbeitsplatz im Unternehmen. Diese Entwicklung wird durch die Nutzung mobiler Telefone noch weiter verstärkt. Betroffen sind alle mit Schreiben, Berechnen und Vorbereiten von Lösungen für komplexere Aufgaben verbundenen Tätigkeiten bis in die Vorgangsbearbeitung hinein. Ausgerüstet mit Notebookrechner, Telefonanschluß (TAE-N-Anschluß mit Modem oder Handy und entsprechender GSM-PC-Card) kann man praktisch überall arbeiten und das Arbeitsergebnis jederzeit in der Firma abliefern und sich von dort auch neue Informationen besorgen. Die Qualität dieser Möglichkeiten hängt ab vom Internet-/Intranet-Konzept des Unternehmens. Weiter ist eine beträchtliche Ausdehnungsmöglichkeit aller Rufbereitschaftsdienste zu erwarten.

Konsequenzen: Die Arbeitszeit als Grundlage der Entgeltfindung verliert an Bedeutung. Es gibt schon eine Reihe von Firmen, die Arbeitszeiterfassungen abgeschafft und durch Absprachen zwischen Mitarbeiter/-innen und Vorgesetzten in der jeweiligen Organisationseinheit abgelöst haben. Ergebnisorientierte Gratifikationssysteme werden an Bedeutung gewinnen. Individuelle Vorstellungen der Mitarbeiter/-innen können dabei stärker berücksichtigt werden; dies geschieht in der Regel auch. Die Betriebsräte müssen sich auf diese anstehende Diskussion um den Wechsel von Entgeltfindung und Entgeltform vorbereiten. Bei Rufbereitschaften sind genaue Regelungen über den Höchstanteil der Rufbereitschaftszeit an der gesamten Arbeitszeit sowie bezüglich der Bezahlung unabdingbar.

Probleme: Von vielen Betriebsräten wird beim Verlassen der gemessenen Arbeitszeit eine schleichende Arbeitsintensivierung befürchtet. Ferner besteht die Gefahr, daß die "neue Liberalität" höchst einseitig praktiziert wird, etwa im Sinne von Kapovaz-orientierten Praktiken: gearbeitet wird dann, wenn das Unternehmen es wünscht. Über wirksame Schutzregelungen sind bisher so gut wie keine Verfahren bekannt.
Eine weitere Gefahr ist der Kontextverlust durch Ausklinken aus der firmeninternen Kommunikation. Deshalb sind Regelungen erforderlich, die die Aufrechterhaltung einer "Mindestkommunikation" erreichen wollen, etwa durch vorgesehene Präsenz am Arbeitsplatz an einem oder mehreren bestimmten Arbeitstagen bzw. während einer festgelegten Mindestarbeitszeit.
Führungskräfte haben oft Probleme mit der neuen Situation, da sie ihre Argumentation gerne hinter Computerausdrucken (Arbeitszeitnachweis) verstecken.

 

Zielvereinbarungen und Mitarbeitergespräche als neue Führungsinstrumente

Situation: Mit abnehmender Bedeutung der gemessenen Arbeitszeit als Entgelt-Grundlage werden Zielvereinbarungen in Verbindung mit Zielerreichungsgesprächen zu Alternativen. In regelmäßigen Zeitabständen werden zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter/-innen in Mitarbeitergesprächen meist nach vorgegebenen Kategorien Ziele festgelegt. Nach Ablauf der Zeitspanne findet ein weiteres Mitarbeitergespräch statt, in dem die Erreichung der vereinbarten Ziele erörtert wird. In den meisten Unternehmen hängen mindestens Teile des Entgelts vom Ausgang dieses Verfahrens ab.

Konsequenzen: Die Betriebsräte müssen sich auf das Vordringen solcher Verfahren vorbereiten. Dies bedeutet zunächst das Kennenlernen der gängigen und diskutierten Methoden und Verfahren. In einem zweiten Schritt sollte eine Bewertung erfolgen, um dann schließlich Kriterien und Rahmenbedingungen zu entwickeln, die als betriebliche Regelungen zu vereinbaren sind. Solche Regelungen hätten darauf zu achten,

Probleme: Der Arbeitnehmer-Begriff bestimmt sich im wesentlichen über die Abhängigkeit des Beschäftigten in seinem Arbeitsverhältnis, was sich z.B. in der Weisungsgebundenheit ausdrückt. Ergebnisorientierte Entgeltfindungsverfahren könnten eine Auflösung der Arbeitnehmer-Verhältnisse und an deren Stelle selbständige "Kleinunternehmer"-Modelle befördern.

 

Schutz vor Überwachung

Situation: (Fast) alle intranet-internen Serverdienste zeichnen Informationen über das Benutzerverhalten auf. Die Server-Software kann benutzt werden, um die aufgerufenen Seiten zu protokollieren. Elektronische Post kann kontrolliert werden. Darstellungen von Personen im Internet kann die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletzen.

Konsequenzen: Traditionelle Regelung zu den Serverdiensten, die eine Zweckbindung der gespeicherten Information (Systemsicherheit, Fehlerbehebung und Systemoptimierung, Abrechnung), ein Abschalten der Protokollierung oder, falls dies nicht möglich, eine kurze Speicherdauer und eine Beschränkung der Zugriffsrechte festlegt. Verzicht auf "Cookies", die Zugriffe auf benutzte Internet- oder Intranet-Seiten festhalten. Regelungen zum Umgang mit Bearbeiter- oder Benutzernamen in Anwendungssoftware. Regelungen zum Umgang mit der elektronischen Post. Richtlinien für die Darstellung von Personen im Intranet bzw. Internet.

Internet als Arbeitsmittel - Außenkontakte der Firmen - Intranet-Lösungen - Enthierarchisierung - Flexibilisierung der Arbeitszeit - Zielvereinbarungen - Schutz vor Überwachung


To-do-Liste

  1. Erarbeitung eines (nach Tätigkeitsschwerpunkten differenzierten) Qualifizierungskonzepts für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die Internet-Recherchen ein neues Arbeitsmittel der Informationsbeschaffung darstellen.
  2. Begleitende Maßnahmen zur Unterstützung der Internet-Recherchen (z.B. Bookmark-System nach Arbeitsschwerpunkten differenziert).
  3. Definition der Berufsbilder für den Personenkreis, der mit Aufbau und Pflege der Internet-Präsenz bzw. den Intranet-Aktivitäten des Unternehmens betraut ist.
  4. Vereinbarung eines Verfahrens mit dem Unternehmen, das die regelmäßige Erörterung der längerfristigen Unternehmensstrategie des Computereinsatzes zum Gegenstand hat und darüber hinaus der Beratung von Auswirkungen auf Personaleinsatz, Arbeitsabläufe, Qualifizierung und Bezahlung dient.
  5. Untersuchung der Bereiche, in denen Gruppenarbeit eingeführt werden kann. Erörterung geeigneter Formen von Gruppenarbeit. Erarbeitung von Regelungen für die interne Organisation von Gruppenarbeit mit hohem Selbstregulierungs-Anteil.
  6. Erarbeitung einer Zielvorstellung für die künftigen Tätigkeitsschwerpunkte der heutigen unteren und mittleren Führungskräfte und eines Qualifizierungskonzepts für den betroffenen Personenkreis.
  7. Vereinbarung eines Verfahrens zur Benutzerbeteiligung an künftigen Anwendungssystementwicklungen.
  8. Erarbeitung einer Position zu Verzicht auf Arbeitszeiterfassung und zu ergebnisorientierten Entgeltfindungsverfahren.
  9. Entwicklung von Modellen gemischter Heim- und Betriebs-/Büroarbeitszeiten mit Stärkung individueller Wahlmöglichkeiten.
  10. Regelung zu Tele-Heimarbeit mit Festlegung der Beibehaltung des Arbeitnehmerstatus, eventueller Obergrenzen für den Heimarbeitsanteil, Tagen für Konferenzen und Arbeitsbesprechungen, an denen alle teilnehmen können und unterstützendem Einsatz von Kommunikationssystemen (e-mail).
  11. Beteiligung des Betriebsrats am e-mail-System der Firma mit dem Recht, das "Schwarze Brett" zu benutzen und selber Verteilerkreise zu definieren.
  12. Erarbeitung von Modellen für die Organisation und Bezahlung von Rufbereitschaften.
  13. Aufarbeitung der gängigen Verfahren zum Abschluß von Zielvereinbarungen.
  14. Bewertung und Erarbeitung von Kriterien und Rahmenbedingungen für den Abschluß von Zielvereinbarungen und Mitarbeitergesprächen als Leitsätze für den Abschluß geeigneter Betriebsvereinbarungen.
  15. Weitere Regelungen zum Schutz vor Überwachung (Serverdienste, E-Mail-Regelung, Benutzerkennzeichen, Darstellung von Personen).