Web 2.0: Die verspätete Entdeckung

Mit reichlich Verspätung, darum aber umso heftiger entdecken die Firmen das Web 2.0 mit seinem bunten Sammelsurium eigentlich längst bekannter Einzeltechniken: Weblogs oder Blogs, Online-Foren, Instant Messaging und Wikis. Vor allem die Wikis haben es den Verfechtern des Wissensmanagements angetan.

Wie sich rundgesprochen hat, ist ein Wiki eine Sammlung von Internetseiten, die von ihren Benutzern online in Echtzeit geändert werden können. So können viele Menschen daran arbeiten, das Wissen zu einem Thema zusammenzutragen und vor allem aktuell zu halten. Die große Hoffnung der Firmen dabei ist es, unabhängig von den Köpfen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Wissen insbesondere zu technischen Spezialthemen zu sammeln und zu erhalten, also endlich das zu erreichen, was mit den schwerfällig zu bedienenden Datengräbern früherer Wissensmanagementsysteme nicht zu machen war.

Die Manager mit den vorschnellen Erwartungen werden sich täuschen. Wissensmanagement funktioniert nur, wenn die Kommunikationskultur um das System herum offen und vertrauenswürdig ist. Wer geht schon hin und überantwortet sein Spezialwissen einem anonymen System, zumal wenn dahinter die Absicht hervorscheint, in Zukunft auch ohne den Träger des Wissens auskommen zu können. Experten, die ihre Kenntnisse untereinander austauschen, werden nur dann die neuen technischen Segnungen akzeptieren, wenn sie sich weiterhiin als Personen auch geachtet fühlen dürfen.

Das übersehen die Verfechter der Wissens-Wikis allzu leicht - und sie werden neue IV-Ruinen hinterlassen, in die gezwungenermaßen missmutig die abverlangten Eingaben gemacht werden. Man führe besser damit, wenn man die Leute einfach gewähren ließe: Eine Gruppe, die zur Unterstützung ihrer Arbeit von sich aus ein Wiki einrichten will, soll das auch tun dürfen, wenn es geht ohne bürokratische Regulierung durch eine IT-Abteilung. Freiwilligkeit ist schließlich auch eine der Erfolgsbedingungen, warum einige der Web-2.0-Techniken außerhalb der Unternehmen so gut funktionieren. Verständlich, dass man diesen Erfolg für die Firmen kopieren will. Aber alles hat seinen Preis. Die Unternehmenskultur bedarf dringender Korrekturen, in den meisten Fällen.